Standpunkt
Die News März 2023

10 Punkte für die digitale Transformation des Mittelstands

Ein Standpunkt von Jasmin Arbabian-Vogel

Deutschland hängt in Sachen Digitalisierung im internationalen Vergleich immer noch weit zurück. Der Leitindex für digitale Wirtschaft und Gesellschaft der EU-Kommission "DESI" sieht Deutschland lediglich im europäischen Mittelfeld. Gleichwohl können wir im globalen Wettbewerb nur mit einer klaren Ausrichtung auf digitale Zukunftsthemen bestehen.

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VdU

Jasmin Arbabian-Vogel ist geschäftsführende Gesellschafterin der 1996 von ihr gegründeten Interkultureller Sozialdienst GmbH, einem Pflege- und Sozialdienst in Hannover, bei dem die gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte im Fokus steht. Inzwischen beschäftigt sie in ihren insgesamt vier Unternehmen 220 Mitarbeitende. Zudem engagiert sich Jasmin Arbabian-Vogel in zahlreichen Ehrenämtern unter anderem für Frauen in Führungspositionen und fungiert seit Juni 2018 als Präsidentin des Verbands deutscher Unternehmerinnen e. V.

Es sind in vielerlei Hinsicht herausfordernde Zeiten. Ketten von Krisen durchziehen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, und Ungewissheit scheint die neue Normalität zu sein. In den letzten Jahren haben die Unternehmerinnen und Unternehmer bereits ihre schnelle Anpassungsfähigkeit bewiesen. Doch fest steht: Langfristiger und nachhaltiger Erfolg braucht mehr als das – vor lauter Krisenmodus dürfen wir nicht unseren klaren Blick nach vorne verlieren. Heutige Investitionen in neue Ideen und Technologien garantieren die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen über Krisenzeiten hinaus.

Treiber des technologischen Fortschritts

Gleichzeitig wollen wir weiterhin Gestalterinnen und Gestalter der digitalen Transformation sein, die bereits allgegenwärtig und im vollen Gange ist. Denn ob Computer, Smartphones oder Apps – sie alle haben unseren Alltag erobert. Es gibt keinen Betrieb, keinen Haushalt, keinen Menschen, der heutzutage ohne digitale Technologien und Lösungen auskommt. Dabei nimmt die Zahl der vernetzten Geräte nicht nur im Privatleben, sondern auch in der Wirtschaft zu: Kollaborative Industrieroboter arbeiten mit Mensch Hand in Hand, in intelligenten Fabriken kommunizieren Maschinen direkt mit den IT-Systemen und Mitarbeitenden des Unternehmens. Die digitale Transformation wird uns künftig noch stärker beeinflussen, als wir es uns heute vorstellen können. Sie ist Treiber des technologischen Fortschritts und wirtschaftlichen Wachstums. Doch Deutschland hängt in Sachen Digitalisierung im internationalen und europäischen Vergleich immer noch weit zurück. Zwar ging mit der Corona-Pandemie ein gewisser Digitalisierungsschub durchs Land, wobei innerhalb kurzer Zeit zahlreiche Prozesse digitalisiert wurden. Gleichzeitig wurden die Lücken der Digitalisierung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft deutlicher denn je. Dabei sollte die Digitalisierung nicht mehr nur als Chance, sondern als Notwendigkeit gesehen werden – nicht mehr nur als Modernisierungs-Selbstzweck, sondern als umfassendes Verbesserungspotenzial für unsere Gesellschaft und unseren Wirtschaftsstandort.

Politik: nicht im Klein-Klein verlieren

Insbesondere der Nachholbedarf auf staatlicher Seite fällt dabei ins Auge. Die Bundesregierung darf sich nicht in Ressortstreitigkeiten und im Klein-Klein verlieren und muss die ambitionierte digitale Agenda des Koalitionsvertrags schnellstmöglich umsetzen. Die Ende August 2022 vorgelegte Digitalstrategie wird dem selbst gesetzten Anspruch, einen umfassenden digitalen Aufbruch zu schaffen, noch nicht gerecht. Sie muss in eine Umsetzungsstrategie, mit einem Zeitplan und überprüfbaren Meilensteinen für die Vorhaben überführt werden. Der Verband deutscher Unternehmerinnen (VdU) erwartet einen digitalen Vorreiterstaat, der die Digitalisierung gestaltend vorantreibt. Bund, Länder und Kommunen müssen besser und ebenen-übergreifend zusammenarbeiten, Lösungen austauschen und Silodenken überwinden. Gleichzeitig sollte der Staat Unternehmen als Partner der Transformation betrachten und Kooperationen fördern.

Digitale Verwaltung ist mittelmäßig

Eine funktionierende digitale Verwaltung sowie eine flächendeckende und leistungsfähige digitale Infrastruktur sind die Grundlage für eine erfolgreiche digitale Transformation des Mittelstandes. Ein Blick auf Deutschland und seine digitale Verwaltung zeigt, dass wir im EU-Vergleich lediglich im hinteren Mittelfeld rangieren. Die öffentliche Verwaltung hat mit der Entwicklung in Wirtschaft und Gesellschaft nicht Schritt halten können. Für eine Industrienation mit starkem Mittelstand ist diese Entwicklung nicht hinnehmbar und bleibt weit hinter den Erwartungen der Unternehmen zurück. Dabei liegt im E-Government ein großes Potenzial, um Betriebe zu entlasten. Alltägliche Vorgänge wie Informationspflichten gegenüber der öffentlichen Hand, Genehmigungs- und Antragsprozesse können durch Digitalisierung optimiert und vereinfacht werden.

„Die Bundesregierung darf sich nicht in Ressortstreitigkeiten und im Klein-Klein verlieren und muss die ambitionierte digitale Agenda des Koalitionsvertrags schnellstmöglich umsetzen.“

Es braucht digitale Bildung

Gleichfalls wichtig sind eine transparente Kommunikation sowie fortwährende digitale Bildung, um Ängste vor technologischen Entwicklungen abzubauen und die Chancen zu verdeutlichen. Dies muss mit umfassenden Digitalkompetenzen einhergehen und sich entlang der gesamten Bildungskette wiederfinden, in Behörden genauso wie in Unternehmen. Nur so kann ein breites digitales Mindset in der Gesellschaft aufgebaut werden. Und letztlich braucht die Digitalisierung in allen Bereichen deutlich mehr Chancen für Mädchen und Frauen, denn um eine gerechte digitale Gesellschaft zu erreichen, müssen Frauen und Männer gleichberechtigt digitale und technologische Entwicklungen mitgestalten können. Die Zahlen sprechen aktuell jedoch eine andere Sprache: 2021 lag der Anteil von Frauen in MINT-Berufen bei niedrigen 15,5 Prozent.

Was wir fordern

Unternehmerinnen und Unternehmer sind bekannt dafür, sich neu zu erfinden, um erfolgreich zu bleiben, und so wollen wir unsere Innovationskraft nutzen, um die digitale Transformation der Wirtschaft aktiv voranzutreiben und ihre Potenziale noch stärker zu heben. Davon ausgehend fordern die Unternehmerinnen des VdU: 1. eine abgestimmte und effektive Digitalpolitik, 2. eine zukunftsfähige digitale Infrastruktur, 3. einen digitalen Staat, 4. die Begleitung von KMU auf dem Weg der digitalen Transformation, 5. eine KI-Strategie für KMU, 6. eine zielgerichtete Datenpolitik, 7. eine umfassende Digitalkompetenz und ein digitales Mindset, 8. ein besonderes Augenmerk auf die Aus- und Weiterbildung, 9. eine Digital-Offensive entlang der gesamten Bildungskette und 10. die gleiche Teilhabe aller Geschlechter an der digitalen Transformation.

Kurz vorgestellt

Der Verband deutscher Unternehmerinnen e. V. (VdU) vertritt seit 1954 als Wirtschaftsverband branchenübergreifend die Interessen von Unternehmerinnen. Seit bald 70 Jahren setzt der VdU sich erfolgreich dafür ein, dass die Stimme der Unternehmerinnen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft angemessen Gehör findet. Im VdU sind rund 1.800 Unternehmerinnen organisiert. Die Unternehmerinnen erwirtschaften zusammen einen Jahresumsatz von 85 Milliarden Euro und beschäftigen über 500.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Deutschland.

www.vdu.de

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