Recht & Steuern
Die News Oktober 2022

Achtung Fallstricke!

Die Tücken der Hinzurechnungsbesteuerung

Infolge der hohen Steuerlast in Deutschland versuchen immer mehr Unternehmen, durch die Verlagerung ihrer Gewinne ins Ausland ihre Steuerlast zu minimieren. Doch Vorsicht: Aufgrund der sogenannten Hinzurechnungsbesteuerung können hohe Steuernachzahlungen drohen.

Dr. Bob Neubert
Lesezeit: ca. 4 Minuten
Balate Dorin / shutterstock.com

Seit der Einführung der Körperschaftsteuer werden Kapitalgesellschaften als eigenständige Steuerrechtssubjekte behandelt, deren Gewinne bei ihren Anteilseignern erst bei der Ausschüttung steuerlich erfasst werden. Solange eine Ausschüttung nicht erfolgt, kann somit auch keine Besteuerung beim Anteilseigner eintreten (sog. Abschirmwirkung). Erst wenn die Gewinne der Gesellschaft in Form von Dividenden oder Veräußerungen von Anteilen realisiert werden, kommt es zur Besteuerung bei den Anteilseignern. Diese Realisierung lässt sich beliebig lange aufschieben (Aufschubwirkung). Daraus ergaben und ergeben sich Gestaltungsanreize für Personen, die in Hochsteuerländern, etwa in Deutschland, ansässig sind, und eine Tochterkapitalgesellschaft in einem Niedrigsteuerland wie der Schweiz errichten.

Steuern sparen durch Gewinnverlagerung

Aufgrund der eigenen Steuerrechtspersönlichkeit einer ausländischen Kapitalgesellschaft unterliegt deren Gewinn im Falle der Nichtausschüttung zunächst nur der niedrigen Besteuerung im Ausland. So kann beispielsweise ein deutsches Unternehmen, das seine Produkte in viele Länder exportiert, in einem Land mit einem günstigen Steuerniveau eine Vertriebstochtergesellschaft gründen. Über diese können die Exporte dann abgewickelt werden. Da die Tochtergesellschaft eine wirtschaftliche Substanz als Vertriebsgesellschaft aufweist, steht ihr im Rahmen der Bestimmung der Verrechnungspreise ein angemessener Gewinn in Abhängigkeit ihrer übernommenen Funktionen und Risiken zu, der dann im Ausland versteuert wird. Anstelle einer Ausschüttung vergibt die Tochtergesellschaft dann Darlehen an die inländische Muttergesellschaft, die zu weiteren (Zins-)Gewinnen im Ausland führen. Auf diese und ähnliche Weise kann eine Gewinnverlagerung ins Ausland bewirkt werden. Besonders attraktiv ist die Zwischenschaltung solcher Auslandsgesellschaften bei sogenannten passiven Tätigkeiten mit einer hohen Wertschöpfung. Solche passiven Tätigkeiten sind vor allem Finanzanlagegeschäfte, Versicherungsgeschäfte, Leasinggeschäfte und Holdingtätigkeiten. Genau diese Betätigungsfelder sind meist einfach in ein niedrig besteuerndes Ausland zu verlagern, da sie zumeist eine sehr geringe personelle und sachliche Ausstattung erfordern und nicht an einen bestimmten Ort gebunden sind.

Durch die bereits seit 1972 aufgenommenen Regelungen der §§ 7 bis 14 im Außensteuergesetz (AStG) soll verhindert werden, dass sich Steuerpflichtige durch die (missbräuchliche) Verlagerung von bestimmten Tätigkeiten auf eine Kapitalgesellschaft in einem Niedrigsteuerland (sogenannte Zwischengesellschaft) ungerechtfertigte Steuervorteile verschaffen. Die EU Anti Tax Avoidance Directive (ATAD) verpflichtete die EU-Mitgliedstaaten, bis Ende 2018 ein Hinzurechnungsbesteuerungssystem mit einem gewissen Mindeststandard zu implementieren. Die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung entsprach diesem im Grundsatz beziehungsweise ging in einigen Bereichen schon deutlich darüber hinaus, sodass diese Regelungen nur leicht verändert wurden.

Wie die Hinzurechnungsbesteuerung funktioniert

Die Hinzurechnungsbesteuerung findet auf Einkünfte einer Kapitalgesellschaft Anwendung, wenn die folgenden Voraussetzungen gegeben sind:

  • Die Kapitalgesellschaft hat weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland (ausländische Gesellschaft).An der Kapitalgesellschaft sind zu mehr als 50 Prozent unbeschränkt steuerpflichtige Personen unmittelbar oder mittelbar beteiligt (sogenannte Deutschbeherrschung).
  • Die ausländische Gesellschaft erzielt Einkünfte, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen und die nicht aus einer aktiven Wirtschaftstätigkeit im Sinne des Katalogs aktiver Tätigkeiten in § 8 Abs. 1 AStG stammen.

Sofern diese Voraussetzungen vorliegen, wird der Gewinn, den die ausländische Gesellschaft erzielt, abzüglich der im Ausland entrichteten Steuern, den deutschen Gesellschaftern der Gesellschaft schlicht als Einkünfte hinzugerechnet. Dies geschieht auch, ohne dass die Gewinne ausgeschüttet werden. Steuererleichterungen, etwa die Steuerfreistellung einer Dividende oder das Teileinkünfteverfahren, kommen nicht zur Anwendung. Dies führt im Ergebnis dazu, dass die Gewinne der ausländischen Zwischengesellschaft vollumfänglich der deutschen Besteuerung unterliegen.

Die Voraussetzungen im Einzelnen

Niedrige Besteuerung

Eine niedrige Besteuerung ist bei einer Ertragssteuerbelastung der ausländischen Gesellschaft von weniger als 25 Prozent gegeben. Als Niedrigsteuergebiete kommen unter anderem Luxemburg, die Niederlande, die Schweiz, die Kanal-Inseln, Madeira, Gibraltar, Liechtenstein, Monaco, Hongkong, Singapur, einzelne Karibikstaaten sowie die Cayman-Inseln in Betracht.

Beherrschung durch Steuerinländer

Sofern inländische natürliche oder juristische Personen mehr als die Hälfte der Anteile an der ausländischen Gesellschaft halten, ist vom Vorliegen der sogenannten Inländerbeherrschung auszugehen. Hier war aufgrund der Umsetzung der ATAD eine Änderung der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung nötig. Eine „Beherrschung“ liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen allein oder zusammen mit ihm nahestehenden Personen am Ende des Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft mehr als die Hälfte der Stimmrechte oder der Anteile am Nennkapital unmittelbar oder mittelbar zuzurechnen sind, oder unmittelbar oder mittelbar ein Anspruch auf mehr als die Hälfte des Gewinns oder des Liquidationserlöses dieser Gesellschaft zusteht.

Keine aktive Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft

Die Regelung des § 8 AStG enthält den Katalog der Tätigkeiten, die die oben beschriebene ausländische Gesellschaft ausüben muss, um keine sogenannten passiven Einkünfte zu erzielen. So ist beispielsweise der Handel mit Produkten oder das Erbringen von Dienstleistungen der ausländischen Gesellschaft eine nicht der Hinzurechnung unterliegende aktive Tätigkeit. Hier ist jedoch größte Vorsicht geboten. Insbesondere beim Handel von Produkten, die die ausländische Gesellschaft vom (sie beherrschenden) Steuerinländer erhält, muss die ausländische Gesellschaft einen umfangreichen eigenen Geschäftsbetrieb unterhalten. Die Geschäfte müssen zudem im Wesentlichen ohne Mitwirkung des Steuerinländers abgewickelt werden. Durch das erst kürzlich in Kraft getretene Steueroasen-Abwehrgesetz wurde der Katalog der passiven Tätigkeiten bei Gesellschaften mit Sitz in Steueroasen noch verschärft.

Festzuhalten ist: Sofern die Hinzurechnungsbesteuerung zur Anwendung kommt, muss zum Teil mit empfindlichen Steuernachzahlungen gerechnet werden. Auslandsfachprüfer analysieren im Rahmen der Verrechnungspreisprüfung zunehmend, ob eine Hinzurechnungsbesteuerung vorliegt, da in diesem Fall das gesamte Steuersubstrat in Deutschland besteuert wird. Somit sollte dieses Thema bei grenzüberschreitender Steuerplanung zwingend im Blick gehalten werden, um „böse Überraschungen“ von Anfang an zu vermeiden. Da insbesondere in diesem Bereich erhöhte Mitwirkungspflichten auch im Rahmen von Betriebsprüfungen bestehen, ist eine vorgelagerte, umfassende und eingehende Beratung sehr zu empfehlen.

Kurz vorgestellt

Die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Bansbach betreut vorwiegend mittelständische Unternehmen sowie vermögende Privatpersonen, aber auch große Kapitalgesellschaften und internationale Konzerne. Mandanten im Ausland werden über das seit 50 Jahren bestehende Netzwerk Kreston international in 120 Staaten mit 22.000 Mitarbeitern weltweit betreut.

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