Auf dem Weg zum echten Serviceerlebnis
Seit Januar 2023 ist Dr. Ulrich Mitzlaff neuer Vorstandssprecher der Süddeutschen Krankenversicherung a. G. (SDK). Im Interview erläutert er unter anderem, welche Herausforderungen zu meistern sind und in welche Richtung er den Versicherer entwickeln möchte.

Was finden Sie an Ihrer Aufgabe als neuer Sprecher des SDK-Vorstands besonders spannend?
Ich habe über viele Jahre in Großkonzernen gearbeitet. Dann wollte ich in den Non-Profit-Bereich und bin zur Kirchlichen Zusatzversorgungskasse (KZVK) gewechselt. Diese kümmert sich um die Klientel, die wir in der Corona-Pandemie als die Säulen der Gesellschaft bezeichnet haben und stellt sicher, dass diese nicht in Altersarmut fallen. Als dann im vergangenen Jahr die Anfrage der SDK kam und ich mich mit dem Unternehmen näher beschäftigte, war für mich klar, dass es eine gute Fortführung dessen ist, was ich bisher gemacht habe. Sehr gut gefällt mir, dass die SDK ein genossenschaftlich organisierter Verein auf Gegenseitigkeit ist, der nicht für die Rendite anonymer Aktionäre arbeitet, sondern ausschließlich im Sinne seiner Mitglieder agiert. Das Ziel, die Mitglieder ein Leben lang zu versorgen und zu begleiten, überzeugt mich. Die SDK selbst kannte ich bereits als einen sehr gut beleumundeten Marktteilnehmer. Natürlich gibt es auch hier einige große Herausforderungen; wir haben aber zu deren Bewältigung eine gute Basis, etwa eine Belegschaft, die sich in hohem Maße mit dem Traditionsunternehmen identifiziert.
Welche Werte sind Ihnen in Ihrem täglichen Tun wichtig?
Ich bin fest davon überzeugt, dass jeder Mensch Ideen hat und innerhalb eines Unternehmens einen Wertbeitrag leisten möchte. Allerdings verbringen wir viel zu viel (Lebens-)Zeit mit der Arbeit – egal ob als Vorstand oder in anderen Rollen – um erst nach Feierabend „wirklich zu leben“. Ich sehe daher die Aufgabe des Vorstands darin, Mitarbeitenden zu ermöglichen, ihren Wertbeitrag zu leisten, ihre Talente und Erfahrungen einzubringen. Dafür sind mir zwei Werte besonders wichtig: Das erste ist, miteinander statt übereinander zu reden. Es ist menschlich und auch okay, wenn man sich mal in der Teeküche über den Chef auslässt. Aber mein Wunsch ist, dass irgendwann einer fragt: „Was machen wir jetzt mit dem, was uns negativ aufgefallen ist?“ Es geht dann darum, solche Dinge lösungsorientiert zu thematisieren – und dafür braucht es eine entsprechende Unternehmenskultur. Die Mitarbeitenden haben einen Anspruch darauf, dass ihnen von uns getroffene Entscheidungen erklärt werden. Gleiches gilt für nicht getroffene Entscheidungen. Der zweite Wert ist: „Zu tun, was wir sagen und zu sagen was wir tun.“ Also ein hohes Maß an Aufrichtigkeit, Klarheit und Ehrlichkeit zu haben. Das sind für mich auch ökonomische Erfolgsfaktoren.

In welche Richtung möchten Sie die SDK in den nächsten Jahren weiterentwickeln?
Hin zu einem exzellenten Service-Versicherer, mit Betonung auf beide Begriffe: Exzellenz und Service. Wir haben hier bei der SDK einen klaren Schwerpunkt auf dem Thema Krankenversicherung. Sprich: Da geht es um Gesundheit, also um etwas ganz Persönliches. Deshalb ist es entscheidend, dass jeder Kundenkontakt und insbesondere der Leistungsfall immer ein echtes Service-Erlebnis für die Kunden ist. Daran bemisst sich, ob die Versicherten aus ihrer Sicht ihren Beitrag dem richtigen Versicherer geben. Daher ist Service-Exzellenz von entscheidender Bedeutung. Exzellenz heißt für mich auch, eine entsprechende Fehlerkultur zu entwickeln. Häufig wird unter Fehlerkultur verstanden, dass Fehler eben passieren, man daraus lernt und diese Fehler künftig vermeidet. Das ist mir allerdings zu kurz gesprungen. Für mich bedeutet Fehlerkultur zweierlei: Erstens den Anspruch an sich selbst, exzellent zu arbeiten. Das ist wie im Fußball: Der Spieler, der einen Fehlpass spielt, ärgert sich am meisten und braucht nicht das Gemecker des Trainers am Spielfeldrand. Warum? Weil er eben exzellent sein möchte. Und das zweite: Ohne die Bereitschaft, Fehler zu machen, passiert keine Innovation. Dieses Spannungsfeld verbinde ich mit Exzellenz. Nur so entwickeln wir uns innovativ voran.
Sie wollen auch das Profil der SDK als Gesundheitsspezialist für Firmenkunden weiter schärfen.
Richtig, das wollen wir noch stärker forcieren. Dieses besteht aus einem Dreiklang. Da wäre einmal die betriebliche Krankenversicherung als gute Zusatzleistung für Arbeitnehmende, mit der Unternehmen ohne größeren Aufwand einen Trumpf in der Hand halten. Das zweite Standbein ist das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM). Auch hier verfügen mittelständische Unternehmen in der Regel über zu wenige Kapazitäten, um selbst genügend auf die Beine stellen zu können. Hier helfen wir, ein durchdachtes BGM zu etablieren. Und der dritte Punkt sind unsere Gesundheitsdienstleistungen über den betrieblichen Alltag hinaus. Hier haben wir stets im Auge, wie wir unser Angebot ausbauen können, nehmen auch gerne Anregungen und Ideen unserer Firmenkunden entgegen und entwickeln bei Bedarf gemeinsam mit ihnen Lösungen.
Wo sehen Sie hier besondere Herausforderungen?
Das sind die zunehmende Regulatorik, der Fachkräftemangel und die Digitalisierung. In Sachen Regulatorik kommen ständig neue Anforderungen auf uns zu. Während sich hier sehr viel tut, kann man das mit Blick auf die Digitalisierung der Versicherungsbranche leider nicht sagen. Ich habe ein wenig den Eindruck, dass die Versicherer die Digitalisierung noch nicht umfassend begreifen. Geschäftsprozesse und bisherige Wertschöpfungsketten sind zwar elektrifiziert. Das hat aber nur am Rande etwas mit Digitalisierung zu tun. Digitalisierung heißt für mich viel mehr, nämlich ein kundenzentriertes Geschäftsmodell, das Services konsequent am Bedarf des Kunden digital organisiert. Das fängt mit einem Omnikanal-Ansatz an: Der Kunde entscheidet, wie er mit uns in Kontakt tritt – ob per Mail, Messenger, Handy oder klassisch per Brief.
Als Versicherer haben wir das Grundproblem, dass uns keiner will. In der Betrachtung der Menschen sind Versicherungen ein notwendiges Übel. Versicherungen werden daher nicht gekauft, sondern müssen verkauft werden. Deswegen sehe ich es als unsere Aufgabe an, es den Menschen so gut und so leicht wie möglich zu machen, den notwendigen Versicherungsschutz für sich in Anspruch zu nehmen. Also müssen Hemmschwellen gesenkt werden. Die ersten Schritte sind bereits getan: Inzwischen haben wir 100.000 Nutzer auf unserer SDK-App, mit der ein Großteil der Rechnungen abgewickelt wird. Zudem sind dort in unserer Gesundheitswelt zahlreiche Services hinterlegt.

Der Faktor Mitarbeiter-Gesundheit ist für Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels enorm wichtig geworden. Wie unterstützen Sie hier gerade den Mittelstand?
Durch den oben beschrieben Dreiklang unserer Services verschaffen wir gerade auch mittelständischen Unternehmen einen gewissen Wettbewerbsvorteil. Sei es, was die Arbeitskrafterhaltung der Belegschaft, die Mitarbeiterzufriedenheit oder die Gewinnung von Fachkräften betrifft.
Wie bespielt die SDK das Thema auch innerhalb der eigenen Belegschaft?
Ich bin noch nicht lange an Bord, kann aber sagen, dass ich ziemlich beeindruckt bin, was die SDK in diesem Kontext auf die Beine gestellt hat. Zu nennen ist zum Beispiel der Gesundheitsbereich mit Fitnessraum im Untergeschoss der Zentrale. Zudem gibt es zahlreiche Weiterbildungsangebote in Sachen Gesundheit. Und alle Beschäftigten erhalten, bezahlt von der SDK, einen Zusatztarif für die stationäre Versorgung. Nicht zu vergessen sind Dinge wie Arbeitsplatz- und Arbeitszeitgestaltung, die ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Gesunderhaltung leisten. Die SDK hat hier in den letzten Jahren die Weichen gestellt, setzt jetzt nicht mehr auf ein klassisches, sondern auf ein offenes Bürokonzept mit Desksharing-Ansatz. Auch die Vorstände sind auf der Fläche verteilt. Was besonders gut ankommt, sind die verschieden gestalteten Räume, die je nach Anlass den richtigen Rahmen bieten. Denn je nach Raumgestaltung entsteht eine ganz andere Kommunikation und Interaktion.

Was bedeutet der demografische Wandel für das deutsche Gesundheitssystem? Inwieweit spielt hier die PKV ihre Vorzüge aus?
Die Gesetzliche Krankenversicherung ist ein wichtiger stabilisierender und sozialer Faktor in unserem Land. Was man kritisieren kann, ist die fehlende Reformfähigkeit. Man denke an die sogenannte Kopfpauschale, die Anfang der 2000er Jahre einfach totdiskutiert wurde. So jedenfalls ist die GKV nicht demografiefest. Hier hat die PKV einige Vorteile, die das zum Teil selbst verschuldete Imageproblem als „Versicherung der Besserverdienenden“ überkompensieren. Ohne das Geld der Privatversicherten, das in das gesetzliche System fließt, wären viele Leistungen der Gesetzlichen gar nicht mehr möglich. Die Frage, ob ein System solidarisch ist, muss man übrigens nicht nur aus heutiger Sicht, sondern auch im Hinblick auf künftige Generationen betrachten. Und da ist das Modell der PKV deutlich stabiler aufgestellt. Nur haben wir es in der Vergangenheit ein Stück weit versäumt, die Unterschiede und Vorzüge der PKV sauber herauszustellen.
Das Thema Vollversicherung innerhalb der PKV gewinnt wieder an Fahrt. Wie sieht hier das SDK-Konzept aus?
Wir stehen voll hinter dem Konzept der Vollversicherung. Wir haben einen festen, vertraglich vereinbarten Leistungskatalog, der im Gegensatz zu dem der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht gekürzt werden kann. Diese Vorteile werden wir gegenüber unseren Kunden noch besser kommunizieren und werden in diesem Jahr mit der Vollversicherung noch stärker in die Offensive gehen. Eine Herausforderung ist es natürlich, bei medizinischem Fortschritt die Kosten im Griff zu behalten. Hier spielt vor allem das Thema Prävention eine zentrale Rolle. Und hier sind wir als SDK sehr gut aufgestellt und betreuen unsere Kunden bedarfsgerecht nicht nur im Krankheitsfall, sondern auch dabei, gesund zu bleiben.
Zur Person
Dr. Ulrich Mitzlaff studierte Mathematik mit Diplomabschluss und wurde 1997 promoviert. Anschließend begann seine Karriere in der Versicherungsbranche im Allianz-Konzern. 2012 wechselte er zur Zurich Gruppe Deutschland, wo er zunächst als Vorstandsvorsitzender der Bonnfinanz AG tätig war und 2013 in die Vorstände der Zurich Gruppe Deutschland berufen wurde. 2017 begann er als Vorstandschef bei der KZVK, bevor er im Januar 2023 zur SDK wechselte.