IT & Digitalisierung
Die News Oktober 2022

Chancen werden nicht ausgeschöpft

Business Process Management für Familienunternehmen

Fragile Lieferketten, steigende Rohstoff- und Energiekosten sowie der Fachkräftemangel erzeugen einen Effizienzdruck, dem sich niemand entziehen kann. Er zwingt Unternehmen, ihre gesamte Ablauforganisation resilient zu gestalten und Prozesse zu optimieren, zu digitalisieren sowie zu automatisieren. Gerade für Familienunternehmen bedeutet dies einen Spagat zwischen Modernisierung und Tradition. Die Voraussetzung dafür bildet das Business Process Management (BPM), denn es ermöglicht Fortschritt, ohne klassische Stärken und Werte zu vernachlässigen.

Florian Christoph
Lesezeit: ca. 4 Minuten
vectorfusionart / shutterstock.com; Ingenics AG

„Wer die Prozesse im Unternehmen nicht beherrscht, beherrscht das ganze Unternehmen nicht.“ Dieses Zitat des US-amerikanischen Qualitätsmanagement-Pioniers W. Edwards Deming hat bis heute nichts an seiner Aktualität eingebüßt. Prozesse sind das zentrale Nervensystem eines Unternehmens. Wollen wir aus der kontinuierlichen Transformation erfolgreich hervorgehen, müssen wir Organisationen resilient gestalten, Prozess- und Informationsflüsse als „durchgängige Datenlogistik“ verstehen und folgerichtig automatisieren. So lassen sich Wettbewerbsvorteile realisieren und Grundlagen für effektives, effizientes Handeln etablieren.

Business Process Management, also das Geschäftsprozessmanagement, zählt zu den Grundbausteinen einer ganzheitlichen Unternehmenssteuerung, -optimierung und -transformation. Es ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Gestaltung von Prozessen und Organisationsstrukturen, bei dem sämtliche betrieblichen Prozess- und Informationsflüsse erfasst, vernetzt, optimiert und darauf aufbauend gesteuert werden. In vielen Familienunternehmen besteht allerdings eine antiquierte Vorstellung von Business Process Management. Für viele hat BPM einen reinen dokumentarischen Charakter. Es wird daher vor allem zur Systembefriedigung der Zertifizierungsvorgaben betrieben. Darüber hinaus gibt es meist eine große Diskrepanz zwischen den dokumentierten und den „gelebten“ Prozessen. Eine aktive Steuerung im Sinne des BPM findet in der Regel nicht statt. Die Chancen, die es in Kombination mit den heutigen technischen Möglichkeiten bietet, werden nicht ausgeschöpft.

Überwachung in Echtzeit

BPM will Prozesse und Workflows nicht einfach nur abbilden und modellieren. Stattdessen entwickelt sich der Ansatz immer stärker zu einem prädiktiven Steuerungsinstrument quasi in Echtzeit. Eine zentrale Rolle spielt hierbei das Thema Technologien beziehungsweise digitale Enabler. Grenzen, die den Mehrwert von BPM in der Vergangenheit einschränkten, verschieben sich immer weiter. Technologien wie Process Mining ermöglichen es nicht nur, Soll-Prozesse zu definieren, sondern diese im Arbeitsalltag nahezu in Echtzeit zu überwachen und Prozessabweichungen sowie Störungen zu identifizieren. Somit sind Unternehmen heute in der Lage, ganze End-to-End-Geschäftsprozessketten echtzeitnahzeitnah zu überwachen und die Reaktionsfähigkeiten bei Störungen zu erhöhen. Diese Transparenz bildet zugleich die Basis für künftige Optimierungen und die Identifikation von Potenzialen. Darüber hinaus unterstützt sie durch Simulationsfähigkeiten und Vorhersagen die Entscheidungsgrundlagen des Managements. Aufgrund dieser digitalen Enabler hat Business Process Management eine Evolution vom reinen dokumentativen „Malen“ von Prozessen hin zum prädiktiven und echtzeitnahen End-to-End-Geschäftsprozessmanagement durchlaufen – hin zu BPM 4.0.

Als Basis der Digitalisierung

BPM basiert auf einem einfachen Grundsatz: Prozesse folgen der Strategie, Systeme ermöglichen Prozesse. Eine Optimierung der Geschäftsprozesse und Arbeitsweisen stellt sicher, dass alle Unternehmensbereiche einem gemeinsamen Ziel – der Strategie – folgen und diese möglichst effizient realisieren. Um eine optimierte Basis aus prozessualen Abläufen zu gewährleisten, darf die Perspektive der Daten und Informationen nicht vernachlässigt werden. Nur eine harmonisierte „Datenlogistik“ kann effiziente Prozesse hervorbringen. Somit bilden optimierte Geschäftsprozesse eine Art Blueprint für eine durchgängige Datenlogistik und die IT-Systemarchitektur, die wiederum das ganzheitliche BPM 4.0 unterstützen. Zusammengefasst lässt sich daher ableiten: BPM ermöglicht Digitalisierung und Digitalisierung unterstützt BPM.

Ein Beispiel für die Synergie aus Business Process Management und Digitalisierung im Sinne des BPM 4.0 ist das Process Mining. Anhand der Attribute „eindeutige ID“, „Zeitstempel“ und „Beschreibung der Aktivität“ werden die tatsächlichen logischen Abläufe in den Daten automatisch identifiziert, rekonstruiert und transparent dargestellt. Statt subjektiv definierter Referenzprozesse wird so die Gesamtheit aller gelebten Ist-Prozesse betrachtet. Hierbei zeigt Process-Mining-Software schonungslos auf, wie oft die tatsächlichen Tätigkeiten vom definierten Soll-Prozess abweichen.

In den meisten Fällen entsteht im Process Mining zunächst ein unübersichtliches Prozessnetz als Spiegel der Wirklichkeit. Durch vorkonfigurierte Filter- und Analysewerkzeuge können Hauptströme und Bypässe erkannt und zugeordnet werden. Aus der Gesamtheit lassen sich dann Abweichungen sowie Engpässe punktgenau identifizieren. Die Digitalisierung der Prozessanalyse bildet so eine Basis zur Potenzialidentifikation – und damit den Aufschlagpunkt für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess.

Der Weg zum BPM 4.0

Für diesen Prozess gibt es keine Plug-and-play-Lösung, die Führungskräfte einfach übernehmen können. Stattdessen muss jede Organisation einen Ansatz entwickeln, der zu ihren Strukturen und Kunden passt. Hierbei gilt: BPM ist kein Selbstzweck. Es muss Teil einer nachhaltigen Strategie sein, die die Profitabilität des Unternehmens über alle Geschäftsprozesse hinweg nachweislich stärkt und in einem ganzheitlichen, digital aufgeladenen BPM 4.0 sein volles Potenzial entfalten kann. Dafür braucht es ein klar definiertes Zielbild und eine Roadmap.

Die Frage ist: Wo sollen Familienunternehmen beginnen? Wer sich mit Geschäftsprozessoptimierung befasst, stößt schnell auf eine Vielzahl an Handlungsoptionen und Technologien. Einen Weg zu definieren, der zu den Zielen des eigenen Unternehmens passt und das richtige Verhältnis aus Kosten und Nutzen aufweist, wird in diesem Dickicht ohne Vorerfahrung von Tag zu Tag schwieriger. Unternehmen, die aktives Geschäftsprozessmanagement umsetzen wollen, müssen sich der Thematik aus einer prozessdigitalen Perspektive nähern. Nur mit dieser Kombination lässt sich BPM 4.0 zeit-, kosten-, qualitäts- und bedarfsgerecht realisieren.

Stärken nachhaltig stärken

Wie können Familienunternehmen die notwendige Transformation vorantreiben und gleichzeitig traditionelle Werte und Stärken bewahren? Diese Frage müssen Führungskräfte zwingend beantworten. Eine Schlüsselrolle nimmt das aktive, digital unterstützte BPM 4.0 ein. Die digitalen Enabler fördern Business Process Management. Gleichzeitig ermöglicht BPM die zielgerichtete Digitalisierung von Organisationen und Unternehmen. Natürliche Stärken familiär geführter Unternehmen lassen sich so nachhaltig stärken und ermöglichen es, in veränderlichen Märkten jetzt und in Zukunft handlungsfähig zu bleiben.

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