Corona trifft die Branche hart
Neben dem Gast- und Hotellerie-Gewerbe leidet vor allem das Messegeschäft unter den Folgen der Corona-Pandemie. Doch die Messegesellschaften sind nicht untätig geblieben, setzen verstärkt auf hybride Veranstaltungsformate und sehen positiv in die Zukunft.
Stefanie Kromer, Leiterin Unternehmenskommunikation, Messe Stuttgart:

„Der Messebetrieb stand nie still“
Um es gleich vorweg zu nehmen: Entgegen vieler Annahmen stand der Messebetrieb während des Lockdowns nie still. In manchen Bereichen, beispielsweise der Hallentechnik, war es zwangsläufig etwas ruhiger, dagegen arbeiteten die IT-, die Rechts- und die Personalabteilung durchaus am Limit. Auch in den Projektteams und in der Kommunikationsabteilung war es nicht ruhig, schließlich mussten viele Messen und Veranstaltungen rückabgewickelt werden, während neue Formate hinzukamen und die Vorbereitungen für die Zeit nach dem Messe-Lockdown jetzt wieder anlaufen.
Die Messe Stuttgart verzeichnete am 1. März 2020 ihren letzten regulären Messetag im vergangenen Jahr. Seitdem musste der Konzern weltweit über 150 Messen und Events verschieben oder absagen. Das messestarke Jahr 2020 hätte planmäßig ein neues Rekordjahr mit einem Umsatz von rund 200 Millionen Euro werden sollen – tatsächlich werden es nur rund 52 Millionen Euro sein, die im Wesentlichen in den ersten beiden Monaten des Jahres erwirtschaftet wurden. Trotz des Einleitens verschiedener Sparmaßnahmen und der Durchführung digitaler Events wird die Messe einen Verlust von rund 25 Millionen Euro für 2020 ausweisen.

Dabei waren die Reserven der Messe für 2020 noch ausreichend, für Mitte dieses Jahres wird jedoch ein Liquiditätsengpass prognostiziert. Um diesen zu überbrücken, benötigt die Messe Fremdkapital von Banken in Höhe von bis zu 33 Millionen Euro. Diese Fremdkapitalaufnahme wird von den Gesellschaftern der Messe, also dem Land Baden-Württemberg und der Landeshauptstadt Stuttgart, je zur Hälfte über eine Bürgschaft abgesichert und zu marktüblichen Zinssätzen gewährt.
Die Planungen für das laufende Jahr sind auch immer abhängig von der aktuell herrschenden Situation. Ohne Planungssicherheit können keine Messen, Kongresse oder Gastveranstaltungen organisiert werden. Da viele Veranstaltungen einen oft monatelangen Vorlauf benötigen, sind unsere Planungen vom Verlauf der Pandemie und deren Folgen für die verschiedenen Verhaltensrichtlinien abhängig. Da Messemacher aber von Haus aus Optimisten sind, rechnen wir ab dem zweiten Quartal mit den ersten Präsenz-Fachmessen. Zudem sind weitere digitale oder Hybrid-Veranstaltungen bereits im Frühjahr und im Sommer in Planung und auch die Vorbereitungen für die Herbstmessen laufen demnächst an.
Zudem werden die neu entwickelten digitalen oder virtuellen Angebote von einigen Ausstellern als Chance gesehen und genutzt, ihre Produkte und Warenangebote zumindest via Internet einem interessierten Publikum sowie den Medien vorzustellen. Die Messe Stuttgart hat dafür extra Studiolösungen entwickelt und vier sendefähige Fernsehstudios auf dem Messegelände eingerichtet, die gut angenommen werden. Der Anspruch einer Messe wird aber die Präsenzveranstaltung bleiben. Der „Markenkern“ von Messen besteht im „face-to-face“-Marketing, im fachlichen Austausch und direkten Treffen am Stand. Die persönliche Begegnung und das haptische Erfahren werden nicht durch digitale Kanäle zu ersetzen sein.
Peter Ottmann, CEO Nürnberg Messe Group:

„Auf dem Weg ins New Now!“
Die „erste Halbzeit“ der Corona-Pandemie 2020 hat tiefe Spuren hinterlassen – nicht nur in unserem Geschäftsjahr, sondern auch bei unseren Kunden und Mitarbeitern. Und in der nun vor uns liegenden „zweiten Halbzeit“ 2021 wird es wieder sehr sportlich – wahrscheinlich sogar noch intensiver als in der ersten Halbzeit. Denn gefühlt liegen wir hinten. Keine Frage: Corona hat unser Leben und die Messewirtschaft weiterhin fest im Griff. Gerade jetzt zum Jahresauftakt wird uns nochmals klar: Um als Messegesellschaft wieder erfolgreich sein zu können, braucht es keinen Sprint, sondern einen Marathon. 2021 gilt es, gut in Form und vorbereitet zu sein, wenn das Tempo wieder anzieht und reale Messen wieder möglich werden sollten. Bis dahin heißt die Devise, digital gut voranzukommen – herzlich willkommen im New Now!
Das oft beschworene „New Normal“ soll aber kein rein Digitales sein – das zumindest wünsche ich mir. Denn das Erfolgsrezept unserer Branche ist seit jeher das Zusammentreffen von Menschen, der Austausch von Wissen und die Kreation von Innovation. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass das alles bald wieder möglich ist. Offensichtlich ist, dass sich unsere Anforderungen an die Welt „nach Corona“ verändert haben. Die Vorteile des persönlichen Treffens und des eigenen Erlebens vermissen wir in der Zeit des Homeoffice und Social Dinstancing schmerzlich. Gleichzeitig wirkt die Pandemie wie ein Turbolader für die Digitalisierung: Einfachere Prozesse, Smart Data, effektives Marketing und eine größere unternehmerische Freiheit. Kurzum: In der digitalen Welt geht vieles einfach schneller. Aber: Es menschelt leider weniger!

Für uns als Messegesellschaft bedeutet „nach Corona“: Unsere Messen und Kongresse müssen das Leistungsbündel, das sie repräsentieren, weiter profilieren. Besonders, was die Themenzwillinge Inspiration und Innovation sowie Reichweite und Relevanz angeht – real wie digital. Erste großartige Beispiele für diese „hybriden“ Veranstaltungen sind im vergangenen Jahr am Messestandort Nürnberg entstanden. Innerhalb weniger Monate haben wir internationale Leitmessen wie „itsa“, „Chillventa“ oder „Brau Beviale“ in digitale Formate verwandelt. Produktpräsentationen, Kundengespräche, Wissensaustausch – das alles haben unsere Aussteller und Besucher begeistert auch im digitalen Raum angenommen. Das Coronajahr war insofern auch für die Nürnberg Messe ein Lehrjahr, in dem wir im digitalen Bereich über uns hinausgewachsen sind und Know-how aufgebaut haben, von dem künftig alle unsere Kunden profitieren – zusätzlich zum Live-Erlebnis!
Die Krise als Chance – das gilt auch für das Thema Nachhaltigkeit. Denn in Zukunft werden wir uns alle noch stärker fragen, welchen Fußabdruck wir hinterlassen. Deshalb wird die Nürnberg Messe ihre Aktivitäten in Sachen unternehmerische Verantwortung weiter ausbauen, mit dem Ziel, bis zum Jahr 2028 klimaneutral zu sein. Die „Sustainability Development Goals“ der Vereinten Nationen, kurz SDGs, bilden hierfür das passende Leitmotiv. Unser Leuchtturmprojekt ist die Errichtung eines eigenen Wasserstoffkraftwerks, als erste Messegesellschaft weltweit. Das Ziel: Selbstversorgung des Messebetriebs mit umweltfreundlichem Strom – für uns und unsere Kunden.
Ein Vorreiter beim Thema Nachhaltigkeit wächst 2021 weiter: Die „Biofach World“ mit der internationalen Leitmesse für Bio-Lebensmittel in Nürnberg erhält einen neuen Ableger im arabischen und nordafrikanischen Raum, die „Biofach Saudi Arabia“. Für uns bedeutet das einen weiteren Schritt auf unserem Weg hin zu einer noch stärkeren Internationalisierung. Und für unsere Kunden ein wachsendes Netzwerk und neue Kontakte in den Zukunftsmärkten der Welt. Mit dem Event „Hydrogen Dialogue“ als Kongress bieten wir 2021 zum zweiten Mal die herausragende Plattform für die Wasserstoffwirtschaft an.
Zum Jahresauftakt 2021 fällt der Blick in die Glaskugel so schwer wie lange nicht mehr. Dennoch sind inmitten der Pandemie erste Glanzlichter erkennbar: Mit neuen Formaten, digitalen Konzepten und spannenden Themen werden wir unseren Kunden auch 2021 das bieten, wonach wir uns auch im „New Now“ alle so sehr sehnen: People’s Business!
Oliver P. Kuhrt, Geschäftsführer Messe Essen:

„Messen werden einen neuen Boom erleben“
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind für die Messebranche ohne Zweifel eine der größten Herausforderungen seit ihrem Bestehen. Verglichen mit der Weltfinanzkrise 2008 sind die Folgen in Form von abgesagten und verschobenen Veranstaltungen sogar noch deutlicher zu spüren. Doch ist es gerade dieser Vergleich, der gleichzeitig Mut macht: Denn gemeinsam mit Konjunkturprogrammen und Reformen waren es Messen, die Anfang der 2010er-Jahre entscheidend zu einer Erholung und einem neuen Aufschwung der Märkte beigetragen haben. Ich erwarte eine ähnliche Entwicklung für die kommende Zeit – unsere Kunden würden lieber heute als morgen wieder ausstellen; in vielen Branchen gibt es aufgrund fehlender Messen einen regelrechten Investitionsstau. Messen werden einen neuen Boom erleben.
Die Pandemie hat gezeigt, dass sich Menschen den persönlichen Austausch wünschen. Das gilt umso mehr, wenn es um den Kauf von Investitionsgütern geht. Hier geht es um Vertrauen, um persönliche Kontakte, die teils über lange Jahre und grenzübergreifend gepflegt werden – und zwar vorzugsweise auf Messen und Kongressen. Digitale Formate, wie sie zuletzt verstärkt stattgefunden haben, können Messen zwar sinnvoll ergänzen – aber nicht vollständig ersetzen. Unsere Aussteller haben seit geraumer Zeit die Möglichkeit, ganzjährig auf unseren Kanälen präsent zu sein, und aktuell arbeiten wir an weiteren virtuellen Angeboten, die den persönlichen Austausch noch effizienter machen. Doch unser Kerngeschäft bleiben Begegnungen im realen, nicht im virtuellen Raum.

Während dieser Beitrag entsteht, ist noch unklar, wann und unter welchen Voraussetzungen in Deutschland wieder Messen stattfinden können. Gleichzeitig gibt es Licht am Ende des Tunnels in Form von immer mehr verfügbaren Impfstoffen und einer steigenden Impfquote. Und auch wenn wir im Moment noch keine belastbare Prognose treffen können, wann genau es wieder losgeht, blicken wir positiv in die Zukunft: Wir haben in Essen in den vergangenen Jahren die Voraussetzungen geschaffen, um nach der Krise schnell wieder durchzustarten: Als mittelgroßer Standort mit einem hochmodernen Gelände und schlanken Strukturen haben wir gerade in der aktuellen Situation einen Vorteil gegenüber größeren Wettbewerbern.
Drei Trends werden die kommende Messezeit prägen: Erstens werden die Veranstaltungen aufgrund der Reiserestriktionen vorläufig einen eher nationalen Charakter haben und erst nach und nach zu ihrer alten Internationalität zurückkehren. Zweitens bin ich überzeugt, dass sich der Trend weg von 360-Grad-Messen und hin zu hochspezialisierten Fachmessen weiter beschleunigt. Und drittens werden die Messeteilnehmer künftig noch bewusster entscheiden, welche Messen sie besuchen. Damit rückt die Qualität der Besucher in den Vordergrund und verdrängt die jahrelange Fokussierung auf deren schiere Zahl. Die inhaltliche Wertschätzung von Messen als zentralem Marketinginstrument wird auf diesem Weg steigen. Wie nach jeder Krise ergeben sich also neue Chancen. Diese zu erkennen und zu ergreifen, wird zur zentralen Aufgabe der kommenden Jahre.