Blickpunkt
Die News September 2022

Das Salz in der Unternehmersuppe

Kreativität entscheidet im Marketing über Erfolg

Kreativität, schreibt uns Wikipedia hinter die Ohren, ist die Fähigkeit, etwas zu erschaffen, was neu oder originell und dabei nützlich oder brauchbar ist. Demnach ist Kreativität nichts, was man um jeden Preis braucht – nichts, ohne das man als Unternehmer nicht überleben könnte. Allerdings ist Kreativität das, was uns von allen anderen Lebewesen unterscheidet. Also ist sie vermutlich doch wichtiger, als es erscheint.

Thomas Koch
Lesezeit: ca. 6 Minuten
privat

Thomas Koch ist einer der profiliertesten Media-Experten in Deutschland.

Kreativität steckt sehr tief in der menschlichen Seele. Sie macht uns neugierig. Sie lässt uns Neues erdenken und erschaffen – oft aus einem Gefühl der Unzufriedenheit mit dem Bestehenden. Es steckt in unserem Wesen, Dinge verbessern zu wollen, immer schneller, höher, weiter zu streben. Mit großer Wahrscheinlichkeit war es ein Blitz an Kreativität, der seinerzeit zur Gründung Ihres Unternehmens führte: ein Produkt zu erfinden, verbessern zu können, es einfacher herstellen, es besser gegen jedes Konkurrenzprodukt differenzieren zu können. Als ich meine erste Agentur 1987 gründete – die zur größten unabhängigen Mediaagentur des Landes wurde –, steckte eine relevante Differenzierung hinter der Gründungsabsicht: Ich wollte Mediaplanung nicht alleine von Zahlen ableiten, sondern, wie bei den Kreativen, sollten unsere Mediapläne einem Konzept, einer Idee folgen. Ich wollte Media und Kreation miteinander verschmelzen und kreative Mediapläne entwickeln. Das hatte noch niemand vor mir getan. Ich hatte das sichere Gespür, dass viele Werbekunden diesem Ansatz folgen würden – und sollte Recht behalten: in der Spitze erreichten wir mit Werbekunden wie Vodafone, ING, Levi‘s und Nintendo Werbeumsätze in Milliardenhöhe.

Nur vier Prozent sind erfolgreich

Nach den vielen Jahrzehnten, die ich nunmehr in der Marketing- und Kommunikationsbranche verbringe, weiß ich, dass sich die Unternehmenslenker in den Kreativ-, Media-, PR- und Online-Agenturen ebenso wie die Unternehmens- und Marketingchefs auf Kundenseite gerne im Erfolg sonnen – im Erfolg ihrer Strategien, ihrer erfolgreichen (Marketing-)Pläne und Kampagnen. Ich weiß aber auch zu gut, wie weit hergeholt die vermeintlichen Erfolge der Protagonisten tatsächlich sind: 89 Prozent aller Kampagnen werden überhaupt nicht wahrgenommen, sieben Prozent bleiben negativ in Erinnerung und nur vier Prozent werden wahrgenommen und bleiben positiv in Erinnerung.

Wenn man sich fragt, was diese vier Prozent aller Kampagnen von den übrigen 96 Prozent unterscheidet, dann ist es ihre Kreativität. Es gelingt diesen Kampagnen, sich von allen anderen deutlich zu unterscheiden und gleichzeitig bei ihren Zielgruppen einen emotionalen Nerv zu treffen. Es gelingt den Erschaffern, Aufmerksamkeit zu erzeugen und dabei die wahren Motive der Menschen zu erfassen und anzusprechen. Was auf dem Papier so einfach klingt, gelingt tatsächlich nur selten – nur in vier Prozent aller Fälle.

Die Kraft der Kreativität ist dominant

Dass die Ursache für diesen seltenen Erfolg in der Kreativität des Vorgehens, der Positionierung, der Differenzierung, der Kampagne selbst zu finden ist, ist wissenschaftlich erwiesen. Mehrfach wurde untersucht, welche Faktoren für den Erfolg verantwortlich sind und das Ergebnis war stets dasselbe: die Kreativität, die kreative Arbeit, ist zu 60 Prozent verantwortlich; Media, die Wahl der passenden Kanäle, zu 20 Prozent, und die Marke selbst mitsamt ihrer Historie und Stärken wie Distribution, Preis oder Sichtbarkeit ebenfalls zu 20 Prozent. Dieses Verhältnis gilt nicht nur für Werbekampagnen, sondern zwangsläufig ebenso für jedes Vorhaben eines jeden Unternehmens, für jede Produktentwicklung, für jede Strategie und jeden Plan. Der Erfolg hängt zu 60 Prozent von der Kreativität ab. Grund genug, sich näher mit dem Phänomen zu beschäftigen.

80 Prozent aller Neueinführungen im Lebensmitteleinzelhandel enden als Flops und werden wieder vom Markt genommen. Trotz unzähliger Tests und der Einschätzung erfahrener Menschen. Es ist seit Jahrzehnten ein scheinbar ehernes Gesetz, und die Unternehmen würden alles tun, um die Erfolgsaussichten zu verbessern. Sie erkennen offenbar nicht, dass die Ursache in der mangelnden Kreativität liegt. Im Supermarktregal liegen 20 Joghurts, die sich voneinander kaum merkbar unterscheiden. Der Verbraucher entscheidet dann eben nach dem Preis. Ein „kreativer“ Joghurt müsste sich diesem gnadenlosen Preiskampf nicht aussetzen. Bereits im Jahr 2000 schrieb Prof. Dieter Zimmer im „Harvard Business Manager“: „Viele erstaunliche Produkt- und Marktentwicklungen gelingen nicht etwa den Konzernen mit ihrer gewaltigen Finanzkraft, sondern kleinen und mittleren Unternehmen. Bei den Mittelständlern tummeln sich viele kreative Köpfe – geistig flexibel, voller Ehrgeiz und begierig auf Neues.

Der Erfolg der Baumarktkette Hornbach geht zu mindestens 60 Prozent auf den kreativen Auftritt der Marke zurück. Hornbach

Es sind diese Menschen und nicht Computer, von denen augenscheinlich das Innovationsgeschehen vorangetrieben wird. Daher müssen die Chefs der mittelständischen Unternehmen diese Fach- und Führungstalente nachdrücklich fördern und die Rahmenbedingungen für ein strikt auf den Kunden ausgerichtetes Innovationsmanagement schaffen. Die Unternehmerinnen und Unternehmer sind als Leitfiguren im Mittelstand gefordert. Es gilt, kreatives Denken im Unternehmen voranzutreiben. Kreativität und Neuerungen entspringen ebenso der brennenden Neugier von Menschen wie ihrer Lust, Neues zu ersinnen und zu erproben. In mittelständischen Betrieben ist der Unternehmer die zentrale Figur. Er hat im Besonderen die Aufgabe, den Raum und Rahmen zu schaffen, in dem sich solche kreativen Ideen entwickeln können, die anschließend zu Markterfolgen führen.

Die reinste Form des Wahnsinns

Das Geheimnis hinter der Kreativität beginnt nach meiner persönlichen Beobachtung schon bei der puren Veränderung. Jeder kennt das berühmte Zitat Albert Einsteins: „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert.“ Jedes Unternehmen verändert sich ebenso kontinuierlich wie sein Marktumfeld und die Bedürfnisse der Kunden. Dennoch habe ich in meiner Laufbahn unzählige, insbesondere mittelständische, Unternehmen erlebt, die über viele Jahre hinweg die gleiche Werbekampagne und die gleichen Medien als Transportkanäle für ihre Botschaft einsetzten. Auf Dauer erzeugt ein solches Verhalten natürlich Langeweile bei den angesprochenen Zielpersonen. Nicht auf ihre mit Sicherheit veränderten Bedürfnisse und Motivationen einzugehen, ist zudem respektlos. Kampagnen leben von Veränderung.

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Noch augenscheinlicher wird das bisweilen traurige Phänomen, wenn man sich die Mühe macht, das Material der eigenen Wettbewerber zu sammeln und nebeneinander zu legen: die Anzeigen, Online-Banner, Plakate, Videos, Handelsaufsteller, Prospekte, Produktblätter etc. Man stellt verwundert fest, dass sie sehr häufig weitgehend identisch sind – in ihren Aussagen und Botschaften, selbst im Design und der Farbgebung. Was nach wie vor für nationale Bier- und Pkw-Markenwerbung gilt, gilt leider erst recht für das öffentliche Erscheinungsbild im Mittelstand. Versetzen wir uns in die Lage der Zielgruppen. Wie sollen sie die Hersteller, Marken und Angebote voneinander unterscheiden, wenn schon die Unternehmen keine Unterschiede erkennen? Hier kommt die viel gepriesene Kreativität zum Einsatz. Jeder, der neue Wege geht, andere Wege geht, sich von seinen Wettbewerbern differenziert, erlebt das positive Ergebnis einer „kreativen“ Positionierung, eines „kreativen“ Markenauftritts innerhalb kürzester Zeit.

Zeit für kreative Visionen

Bleiben wir noch beim Phänomen der Zeit. Fast jede Unternehmerin und jeder Unternehmer blickt auf Monats-, Quartals- und Jahreszahlen – auf die taktischen Ziele. Hier bleibt die Kreativität außen vor. Bei der langfristigen, nachhaltigen Zielsetzung jedoch sollte eine ebenso langfristige und nachhaltige Unternehmensvision greifen. Jede kurzfristige Taktik hat sich dieser Strategie unterzuordnen. Diese sprüht zwangsläufig vor Kreativität, weil sie das Unternehmen in eine unbekannte Zukunft einzubetten versucht. Eine solche Vision ist gewiss nicht an einem Nachmittag entwickelt. Sie entsteht aus der Geschichte und Gegenwart des Unternehmens und bindet die Gedanken der kreativsten Köpfe des Unternehmens ein.

Achten Sie jedoch darauf, Wettbewerber niemals zu kopieren. Mehrere Baumärkte versuchten, Hornbach zu kopieren, jedoch ohne Erfolg. Der kopierte Auftritt zahlte stets auf die Marke Hornbach ein, die nach wie vor erfolgreichste Baumarktkette Deutschlands. Ihr Erfolg geht zu mindestens 60 Prozent auf den kreativen Auftritt der Marke zurück, deren Sortiment sich kaum von dem aller anderen Wettbewerber unterscheidet. Hornbach ist ein grandioses Beispiel für das Verständnis eines Unternehmers für die Bedeutung und Kraft der Kreativität.

Weil Kreativität überlebenswichtig für Ihren Unternehmenserfolg ist, identifizieren Sie Ihre kreativsten Mitarbeiter und beteiligen Sie sie an den wichtigsten künftigen Aufgaben. Und weil Kreativität ebenso überlebenswichtig für Ihren Kommunikations- und Werbeerfolg ist, suchen Sie die besten Kreativen, die Ihr Marketingbudget kaufen kann. Mit Kreativität sorgen Sie dafür, dass Sie, Ihr Unternehmen und Ihre Marken zu den vier Prozent der Erfolgreichen gehören. Das ist neu, originell, nützlich und brauchbar. Dafür lohnt es, kreativ zu sein.

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