Finanzierung & Kapital
Die News November 2021

Der Bilanzstichtag naht

Window Dressing: Was jetzt zu tun ist!

Mit dem nahenden Jahresende 2021 rückt das Vorbereiten auf den Jahresabschluss und das Bilanzziehen auch in den Fokus der Familienunternehmen. Das zweite pandemiegeschüttelte Geschäftsjahr hat bei vielen Organisationen kräftige Abriebspuren an der Ertrags- und Eigenfinanzierungskraft hinterlassen, die es nun mit der Jahresabschlusserstellung zu verarbeiten und erfolgsversprechend zu präsentieren gilt.

Olaf Schaare
Lesezeit: ca. 4 Minuten
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Die Kunst der vorteilhaften Schaufensterdekoration (engl. „Window Dressing“) im Rahmen der Jahresabschlusserstellung wird von börsen- und kapitalmarktfinanzierten Unternehmen bewusst und gezielt betrieben, um die Ertragskraft und das Finanzrating zum Jahresende gründlich aufzupolieren. Dagegen sehen es mittelständische Familienunternehmen oft als unredlich an, sich in einem deutlich günstigeren Licht gegenüber der Öffentlichkeit und insbesondere gegenüber den Finanzierungspartnern darzustellen als es der Realität tatsächlich entspricht.

Spielräume nutzen

Gleichwohl bietet das Handels- und Bilanzrecht den bilanzierenden Unternehmen weltweit mehr oder weniger große legale Spielräume bei der Gestaltung der Bilanz und der Erfolgsdarstellung. Diese Spielräume bestehen zum einen aus Wahlrechten in Form von Aktivierungs- und Passivierungswahlrechten und Wertansatz- beziehungsweise Methodenwahlrechten. Zum anderen sind das Verfahrensspielräume. Geschickt und frühzeitig eingeleitet sind diese Maßnahmen für Dritte und Bilanzanalysten kaum oder gar nicht erkennbar. Banken und Warenkreditversicherungsgesellschaften basieren die Bonitätsbewertungen und Kreditwürdigkeitsprüfungen ihrer Firmenkunden auf ausgewählte, relevante Kennzahlen, die mittels der zur Verfügung gestellten Jahresabschlüsse berechnet werden und in eine statistische Ausfallwahrscheinlichkeitsberechnung (engl. Probability of Default oder PD) beziehungsweise ein Rating münden. Dieses elektronisch ermittelte Rating entscheidet bei den Finanzierungspartnern final darüber, ob die Geschäftsbeziehung mit dem Firmenkunden ausgebaut, eingefroren oder schlimmstenfalls sogar zurückgeführt wird. Zudem ist das Rating ausschlaggebend für die Kalkulation der Finanzierungskosten. Die nach dem Handels- und Bilanzierungsrecht möglichen Hebel und Gestaltungsspielräume sind gerade bei diesen Kennzahlen spätestens am Bilanzierungsstichtag und bestenfalls bereits im Laufe des Jahres anzusetzen, um eine vorteilhafte Ertragskraftdarstellung und ja auch eine vorteilhafte Dekoration zu erwirken.

Auf was besonders zu achten ist

  • EBITDA-Berechnung auf Basis des Jahresabschlusses und aktueller betriebswirtschaftlicher Auswertungen,
  • dynamischer Verschuldungsgrad = Netto-Finanzverbindlichkeiten/EBITDA,
  • Days Sales Outstanding (DSO) und Days Purchases Outstanding (DPO) sowie Net Working Capital (NWC) – Veränderung gegenüber Vorjahr,
  • Free Cash Flow (FCF) nach Netto-Investitionen,
  • Anlagendeckungsgrad und Liquiditätsdeckungsgrade I-III sowie
  • Eigenkapitalquote, insbesondere bei Warenkreditversicherungen.

Anders als in Schönwetterperioden, in denen auch eine Reservelegung wichtig ist, gilt es in Krisenzeiten die Ertrags- und Eigenfinanzierungskraft sowie die Liquiditätsstärke des Unternehmens herauszuputzen, indem u. a. geschaffene Reserven ganz oder partiell genutzt und aufgelöst werden.

Maßnahmen mit positivem Effekt

Es gibt in Krisenzeiten eine ganze Reihe an geeigneten Maßnahmen für die positive Beeinflussung der oben genannten Kennzahlen.

Maßnahme

Positiver Einfluss

Verkauf von nicht betriebsnotwendigen Sachanlagevermögen, d. h. Auflösung von möglichen stillen Reserven

auf Liquidität, FCF, Anlagendeckung und EK-Quote, wichtiger Hinweis: die Sicherheitenvergabe des SAV ist frühzeitig zu klären

Sale-and-Lease-Back von betriebsnotwendigen Sachanlagen

auf Liquidität, FCF, Anlagendeckung und EK-Quote

Verzicht der Bildung von stillen Reserven, z. B. durch kurze AfA-Perioden oder durch Unterbewertung von Sach- und Finanzanlagevermögen mittels Teilwertberichtigungen etc.

auf EK-Quote, eher nachteilig auf Anlagendeckung

erweiterte Aktivierung von Herstellungskosten bei Halb- und Fertigprodukten

auf EBITDA und dynamischen Verschuldungsgrad

Verkürzung der Zahlungsziele bei Kundenforderungen

auf Liquidität, DSO, NWC-Veränderung und FCF

Verkauf von Kundenforderungen mittels Factoring, sofern Warenkreditversicherer die entsprechenden Kunden-Limite zur Verfügung stellen

auf Liquidität, DSO, NWC-Veränderung und FCF

frühzeitiges Mahnen von überfälligen Forderungen und forciertes Einleiten von Inkasso-Maßnahmen

auf Liquidität, DSO, NWC-Veränderung und FCF

Verlängerung der Zahlungsziele für Lieferanten

auf Liquidität, DPO, NWC-Veränderung und FCF

Einführung einer Einkaufsfinanzierung mittels Fine-Trading

auf Liquidität, DPO, NWC-Veränderung und FCF

Vorziehen von Verkäufen in das aktuelle Geschäftsjahr

auf Liquidität, DSO, NWC-Veränderung und FCF

Verschieben von Einkäufen in das folgende Geschäftsjahr

auf Liquidität, NWC-Veränderung und FCF

Verzicht der Nutzung von Passivierungswahlrechten, insbesondere bei Bildung umfangreicher Rückstellungen, wichtiger Hinweis: nur unter größter Vorsicht

auf EBITDA und dynamischen Verschuldungsgrad

Nutzung von Corona-Zuschüssen

auf Liquidität und EK-Quote

Aufnahme von KfW-Corona-Fördermitteln

auf Liquidität, eher nachteilig auf dynamischen Verschuldungsgrad und EK-Quote

Beim Einsatz dieser Instrumente empfehlen wir, jede Maßnahme und deren Wirkungsgrad mit allen strategischen Inhaber- und Unternehmenszielen sowie den strategischen Finanzierungszielen abzugleichen. Neben diesen bilanzierungsrelevanten Maßnahmen sind aktuell auch die Pläne für die Sofort-Maßnahmen zur Umsatzstabilisierung und Kostendämpfung für das folgende Geschäftsjahr frühzeitig aufzugleisen. Mittels einer Budget- und Finanzierungs-Planung sowie einer Szenarien-Planung für das neue Geschäftsjahr ist die Liquiditätsentwicklung so auszulegen, dass das operative Geschäft ungefährdet durchgeführt und finanziert werden kann. In Zeiten stark steigender Vormaterialpreise und anhaltend instabiler Lieferketten gilt dies umso mehr.

Window Dressing kann einen Beitrag zur Stabilisierung und zum Erhalt der unternehmerischen Freiheit und Unabhängigkeit von Familienunternehmen leisten. Um die Wechselwirkung transparent und den Wirkungsgrad messbar zu machen, wird eine fundierte Ratinganalyse und Ratingsimulation empfohlen, die entweder mit Hilfe der Finanzierungspartner oder aber durch neutrale Experten durchgeführt werden kann.

Kurz vorgestellt

Unabhängigkeit ist finanzierbar! Diesem Leitspruch folgt die Knöll-Finanzierungsberatung seit 2011 und hat sich seitdem erfolgreich als ein führendes Beratungshaus für inhabergeführte Unternehmen in Deutschland etabliert. Knöll bietet sowohl dem Unternehmen als auch der Inhaberfamilie individuelle und unabhängige Lösungen. „Die Anlässe hierfür sind so vielfältig und einzigartig wie jedes Familienunternehmen“, sagt Gründer André Knöll. Ganz gleich, ob es sich um Wachstum, Zukauf, Veränderung in der Gesellschafterstruktur, Nachfolge oder um eine Anschlussfinanzierung handelt.

Als Navigator führt das Beratungsunternehmen durch den gesamten Kosmos der Unternehmensfinanzierung und sorgt mit stabilen und langfristigen Architekturen für eine konsequente und effektive Steuerung des Finanzierungsprozesses, an dessen Ende die erfolgreiche Umsetzung der Finanzierung steht. Die individuell auf die Kundenanforderungen ausgerichteten Leistungen der Berater decken das komplette Spektrum der Unternehmensfinanzierung ab. Dabei haben die Berater stets aktuelle Trends des Banken- und Kapitalmarkts im Blick. Die Finanzierungsberatung ist an den Standorten Hamburg, Augsburg und Frankfurt am Main vertreten und berät erfolgreiche Familienunternehmen im gesamten deutschsprachigen Raum.

www.knoell-finance.de

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