Bauen & Immobilien
Die News Juni 2021

Der digitale Zwilling

Wie zeitgemäßes Bauen funktioniert

Weg vom Denken in Unikaten, hin zum Denken in Prozessen: So lautet eine der zentralen Strategien des Stuttgarter Bauunternehmens Wolff & Müller. Die Prozesse werden zuerst in der analogen Welt analysiert, optimiert und dann mithilfe verschiedener Methoden digitalisiert. Bei einem Bauprojekt in Ludwigsburg kam hierfür unter anderem die BIM-Methode zum Einsatz.

Patrick Malota und Valentin Zwerger
Lesezeit: ca. 3 Minuten
Swen Carlin

Im August 2019 starteten die Bauarbeiten für ein neues Bürogebäude in Ludwigsburg. Anfang 2021 erfolgte die Übergabe an den Bauherrn. Das rund 3.600 Quadratmeter große Grundstück in der Wilhelm-Fein-Straße 6 war ursprünglich mit Lager- und Werkstatthallen aus den 60er-Jahren bebaut, die vor Beginn der Bauarbeiten abgebrochen wurden. Das Projekt wurde von „DQuadrat Real Estate“ entwickelt, Wolff & Müller war für den Schlüsselfertigbau verantwortlich. Künftiger Mieter ist ein Technologiekonzern. Das Gebäude hat eine Bruttogeschossfläche von rund 5.000 Quadratmetern und besteht aus drei Geschossen. Für ein angenehmes Arbeitsumfeld sollen eine großflächig verglaste Fassade, ein begehbarer Innenhof, Terrassen und Balkone in den Obergeschossen und eine Dachterrasse sorgen. Im Erdgeschoss sind Werkstätten eingeplant. Das Untergeschoss wurde zur Tiefgarage mit 41 Stellplätzen ausgebaut und bietet Umkleideräume, Technik- und Hausanschlussräume sowie Fahrradstellplätze. Ebenerdig stehen 19 weitere Pkw-Stellplätze zur Verfügung.

Zum BIM-Gesamtmodell verschmolzen

Das Projektteam einigte sich auf ein sogenanntes Open-BIM-Projekt. Das bedeutet, dass verschiedene Softwarelösungen für das Gebäudedatenmodell zur Anwendung kamen. Die Architekten, Tragwerksplaner, Fachplaner für Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär- und Klimatechnik sowie Elektroplaner erstellten jeweils die Modelle ihrer Fachdisziplin mit der Software ihrer Wahl. Die einzelnen Fachmodelle wurden dann zu einem BIM-Gesamtmodell zusammengeführt. Alle Beteiligten arbeiteten im gleichen Datenraum und hatten zur gleichen Zeit Zugriff auf dieselben Informationen. Sie nutzten dieselbe Informationsquelle, das zentrale BIM-Modell, als „Single Source of Truth“.

Permanente Qualitätsprüfung

Das Datenmodell wurde vom Projektteam je nach Planungs- oder Bauphase für unterschiedliche Zwecke genutzt. Dafür hat das Bauunternehmen sogenannte BIM-Anwendungsfälle definiert. Während der Planung kam das Modell bei Baubesprechungen mit den Fachplanern und dem Bauherrn zum Einsatz: Am 3D-Modell ließen sich Details viel einfacher visualisieren und klären als mit herkömmlichen 2D-Plänen. Die BIM-Manager von Wolff & Müller führten regelmäßige Qualitätsprüfungen durch – diese sorgten dafür, dass die im Modell hinterlegten Informationen, wie zum Beispiel die Höhe einer Wand, richtig waren und den Vorgaben entsprachen. Im Zuge der Qualitätsprüfung führte das Team auch Kollisionsprüfungen durch: So ließ sich feststellen, ob sich zum Beispiel Tragwerk und Rohrleitungen in die Quere kamen. Auch während der Bauvorbereitung und -ausführung nutzte das Projektteam das Datenmodell für verschiedene BIM-Anwendungsfälle, wie die Simulation des Bauablaufs oder die Modellauswertung, das heißt, um beispielsweise die Menge an Beton zu kalkulieren.

Gesamten Lebenszyklus im Blick

Das Projekt ist ein Beispiel für die Nutzung von BIM über den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks. Denn die Methode wirkt weit über die Fertigstellung hinaus in die lange Betriebsphase. Der Bauherr wird ein sogenanntes As-built-Modell erhalten, einen detailgenauen digitalen Zwilling des fertigen Gebäudes – von Klimaanlagen bis zu Lichtschaltern ist sämtliche Technik hinterlegt. Das Modell dient als Basis fürs BIM-betriebene Facility-Management: Anhand der digital hinterlegten Informationen kann der Betreiber zum Beispiel Reinigungskosten oder den Energiebedarf von Räumen berechnen oder auch spätere Umbauten planen.

Aus Sicht von Wolff & Müller zeigt die intensive Nutzung von BIM einen großen Vorteil: Bereits zu Beginn trug die BIM-Methodik zu einer guten Kommunikation und Abstimmung zwischen Fachplanern, Bauherren und Bauunternehmen bei. Da das gesamte Team einen gemeinsamen Datenraum nutzte und jederzeit auf das BIM-Gesamtmodell zugreifen konnte, hatte jeder immer den aktuellen Planungsstand des jeweils anderen im Blick. Auch während der Bauausführung bewährte sich das Datenmodell: Das Projektteam simulierte mit dem Modell zum Beispiel exemplarisch den Bauablauf. Ein Open-BIM-Projekt wie dieses ist jedoch auch herausfordernd. Planer haben zwar mehr Flexiblität bei der Wahl der Software und Modellierung, aber mit diesem Ansatz geht auch ein hoher Abstimmungs- und Koordinationsbedarf hinsichtlich der Anforderungen und Abwicklung des BIM-Projekts einher. Hinzu kommt, dass ausschließlich die Fachplaner ihre Modelle erstellen und pflegen – daher sind die BIM-Experten von der Qualität der Datenmodelle abhängig. Um die BIM-Anwendungsfälle umfassend einsetzen zu können, müssen die Fachmodelle ein hohes Qualitätsniveau aufweisen – entsprechend sind hierfür einige Abstimmungsschleifen notwendig.

Bau des Bürogebäudes in Ludwigsburg. Swen Carlin

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