Fortschrittsdrang politisch unterstützen
Die Kreislaufwirtschaft bietet auch Familienunternehmen die Chance, weitgehend unabhängig von Rohstofflieferungen zu werden und neue Geschäftsmodelle zu etablieren. Gleichzeitig können sie ihren Ressourcenverbrauch und ihre Treibhausgasemissionen minimieren. Das ist eines der zentralen Ergebnisse einer Studie, die die Stiftung Familienunternehmen zusammen mit der Fraunhofer-Gesellschaft sowie der "Stiftung 2° – Deutsche Unternehmer für Klimaschutz" erstellt hat.

Die Rockwool-Gruppe bietet in über zehn Ländern, zum Beispiel Dänemark, den Niederlanden,
Belgien, Luxemburg oder Deutschland, einen Rücknahmeservice für Steinwolle-Abfälle an.
Rund 50 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen gehen auf die Rohstoffförderung und -verarbeitung zurück. Dem effizienten Einsatz der Ressourcen kommt damit beim Klimaschutz hohe Bedeutung zu. Familienunternehmen sind laut der Studie die treibende Kraft bei der Transformation zur Circular Economy. In vielen Bereichen fehle es jedoch an politischen Rahmenbedingungen, um die Potenziale einer zirkulären Wirtschaft voll auszuschöpfen, heißt es.
Familienunternehmen von zentraler Bedeutung
Die Wissenschaftler trugen den Stand der Forschung zum Thema zusammen und werteten Erfahrungen aus der unternehmerischen Praxis aus. Sie führten Interviews mit knapp zwei Dutzend Unternehmen aus der Automobil- und Baubranche, die zusammen für 80 Milliarden Euro Jahresumsatz stehen und über 372.000 Mitarbeitende beschäftigen. Ergänzt wurde dies durch Fachgespräche mit Familienunternehmen sowie Vertretern aus der Politik. Damit beleuchtet die Studie auch konkrete unternehmerische Beiträge zur Circular Economy. Von ihrer hohen volkswirtschaftlichen Bedeutung und Innovationsfähigkeit leiten die Forscher ab, dass die Circular Economy „nur mit Familienunternehmen gelingen kann“. Sie monieren, dass Familienunternehmen in der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion zur Kreislaufwirtschaft aber kaum Beachtung finden – einer der Gründe, warum die Studie durchgeführt wurde.
Enormes Einsparpotenzial
Unternehmen, die konsequent auf ein gut durchdachtes Kreislaufsystem setzen, können unter anderem jede Menge Geld sparen, den Verbrauch neuer Rohstoffe merklich senken und die Produktion mitunter ankurbeln. So konnte beispielsweise ein im Rahmen der Studie befragtes Unternehmen bei der Produktion von Kfz-Teilen 85 Prozent des Rohmaterials und 55 Prozent des Energiebedarfs im Vergleich zu Neuteilen einsparen. Ein anderer Hersteller erhöhte die Kapazität seiner Aluminiumproduktion durch Recycling und die Erweiterung der Produktionsanlagen um 20.000 Tonnen pro Jahr. Ein weiteres Fallbeispiel zeigt auf, wie bei der Feuerverzinkung 80 Prozent an Zink gegenüber herkömmlichen Prozessen vermieden werden.
Besondere Herausforderungen
Speziell für zahlreiche Kleinst- und Kleinfamilienunternehmen sehen die Initiatoren der Studie nur schwer zu überbrückende Hürden. Denn sie verfügten über vergleichsweise geringe Eigenkapitalquoten und wenig liquides Anlagevermögen. Sie seien daher bei der Finanzierung von notwendigen Investitionen am Kapitalmarkt schlechter gestellt. Bedingt durch ihre geringe Anzahl an Mitarbeitenden könne es ihnen auch an notwendigen Personalkapazitäten oder Kompetenzen fehlen, um Circular-Economy-Strategien umzusetzen oder Innovationen anzustoßen. Besser sehe es bei mittleren bis große Familienunternehmen aus. Aufgrund ihrer finanziellen Ausstattung könnten solche Unternehmen Investitionen in Circular-Economy-Projekte und kurzfristige Mehrkosten, die durch diese neuartigen Geschäftsmodelle entstehen, eher tragen. „Auch Zielkonflikte der Rollen als Unternehmenseigner, Familienmitglied und Mitarbeitender im Unternehmen können ein Risiko für eine schnelle und erfolgreiche Transformation darstellen. Gleichzeitig bietet die gebündelte Verantwortung jedoch auch die Möglichkeit, getroffene Entscheidungen schnell umzusetzen“, heißt es in der Studie.
Politik ist gefragt
Die Stiftung Familienunternehmen und die Stiftung 2° empfehlen der Politik konkrete Schritte zum Ausbau der zirkulären Wirtschaft. Wichtig sei etwa ein konsistenter Rahmen, der Unternehmen gleichermaßen Orientierung und weitgehende Freiheiten biete. Verlässliche Standards und Planungssicherheit für Unternehmen seien die Grundlage für einen signifikanten Anteil der Circular Economy an der Wirtschaftsleistung. Dazu könnten Herkunftsnachweise für Rezyklate maßgeblich beitragen. Notwendig seien auch handhabbare Mindeststandards für Produktgruppen auf EU-Ebene. In der Praxis sind Rezyklate häufig teurer als Primärrohstoffe. Hier sollte die Politik mit finanziellen Anreizen die Nachfrage nach Produkten mit hohem Rezyklatanteil fördern. Auch bei der öffentlichen Beschaffung könnten Produkte bevorzugt werden, die ressourcenschonend hergestellt sind. Darüber hinaus wäre eine stärkere Ausrichtung der Innovationsförderung auf zirkuläre Produkte und Geschäftsmodelle laut der Studienautoren wünschenswert. „Die Unternehmen sind oftmals weiter, als die Politik denkt. Es geht nun vor allem darum, diesen Fortschrittsdrang politisch zu unterstützen“, fordert Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen. Ähnlich bewertet auch Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung 2°, den aktuellen Stand: „Zirkuläre Geschäftsmodelle können zum neuen Qualitätsmerkmal des Wirtschaftsstandortes Deutschland werden. Dafür braucht es einen politischen Fahrplan, der zu Innovationen ermutigt und zirkuläre Produkte marktfähig macht.“
Die komplette Studie kann hier kostenlos heruntergeladen werden: dn.rpv.media/5c-