Blickpunkt
Die News Dezember 2021

„Frachtbrief wird langsam digital“

Dokumente werden effizienter und kostengünstiger

Der Frachtbrief musste bislang in Deutschland immer in Papierform vorliegen. Doch die Bundesregierung hat nun den Weg für eine rein digitale Version des Transportdokuments im internationalen Güterverkehr geebnet. Die Redaktion sprach darüber mit Raoul Wintjes, dem Leiter Internationaler Straßengüterverkehr | Digitalisierung beim DSLV Bundesverband Spedition und Logistik e. V.

Hendrik Fuchs
Lesezeit: ca. 4 Minuten
Aleksandar Malivuk / shutterstock.com

Welche Vorteile bringt ein digitaler Frachtbrief mit sich?

Alle am Transportprozess beteiligten Akteure werden sich über erhebliche finanzielle Einsparungen freuen können. Je nach Unternehmensgröße kostet ein Frachtbrief in Papierform bis zu dreizehn Euro. Bei bis zu 210 Millionen jährlich ausgestellter Exemplare im CMR-Vertragsgebiet entstehen der Wirtschaft Kosten in mehrstelliger Millionenhöhe. Mit Einführung des digitalen Frachtbriefs lassen sich demgegenüber auch die Prozesse als solche verbessern, denn allen Akteuren stünden dann gleichzeitig über eine gemeinsame elektronische Plattform Echtzeit-Informationen zur Verfügung. Mit der so gewonnenen Transparenz lassen sich Sendungen besser disponieren und Ineffizienzen können schneller aufgedeckt und beseitigt werden. Ein weiterer Pluspunkt für die Unternehmen ist der enorme Zeitgewinn, denn die Informationen fließen zwischen den Datenbanken von Absender, Frachtführer und Empfänger automatisch – was letztlich auch die Fehleranfälligkeit gegenüber einer händischen Übertragung oder Kommunikation per Telefon reduziert.

Zudem ist ein papierbasierter Frachtbrief ein „lebendiges“ Dokument. So vermerkt der Fahrer oftmals handschriftlich Abweichungen bezüglich Mengen oder Warenspezifikationen. Solche Ergänzungen müssen gut lesbar sein. Darüber hinaus muss klar erkennbar sein, wer diese Informationen eingefügt hat und inwieweit die Personen dazu befugt waren – und genau diese Daten fehlen oft im Papierdokument. Bei einem elektronischen Prozess gibt es solche Unklarheiten nicht mehr. Es ist dann immer eindeutig protokolliert, wer zu welchem Zeitpunkt wann und wo Änderungen vorgenommen hat. Ein Zeitgewinn ergibt sich auch bei behördlichen Unterwegskontrollen und bei Grenzüberfahrten, da auch hier die Transport- und Ladungsdaten anhand des Fahrzeugkennzeichens elektronisch ausgelesen und auf Rechtskonformität überprüft werden können. Und schließlich wird massenhaft Papier eingespart, was der Umwelt zugutekommt.

Raoul Wintjes ist Leiter Internationaler Straßengüterverkehr | Digitalisierung beim DSLV Bundesverband Spedition und Logistik e. V. Regina Sablotny

Welche Nachteile gilt es hier von Seiten der Unternehmen zu meistern, um einen digitalen Frachtbrief einsetzen zu können?

Keine wirklichen Nachteile, doch nicht zu unterschätzen ist das Umstellungsproblem. Wie so häufig bei grundlegenden Veränderungen, gibt es Akteure, die wollen, dass alles so bleibt wie es ist. Das ist eine grundsätzliche Hürde. Die zweite Hürde: Insbesondere bei Rechtsgeschäften und Dokumenten ist Papier das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, Verträge zu schließen. Im zivilrechtlichen Sinne ist ein Frachtbrief im Straßengüterverkehr ein Transportvertrag zwischen Versender oder Empfänger und dem Frachtführer. Das heißt, die Unternehmen müssen zunächst ein einfach umzusetzendes Verfahren technisch etablieren. Wenn also ein Frachtführer an der Beladerampe Abweichungen vom ursprünglichen Transportauftrag bemerkt, benötigt er zukünftig ein elektronisches Endgerät, um die Änderungen zu vermerken. Hierzu gibt es womöglich Schulungsbedarf.

Der digitale Frachtbrief wird dazu beitragen, den Fahrzeugbewegungen entsprechende Frachtbriefdaten (und umgekehrt) zuzuordnen. Das Gesamtsystem Straßengüterverkehr wird also sehr transparent. Dadurch können Unregelmäßigkeiten und Verstöße gegen Vorschriften eher aufgedeckt werden. Die EU-Verordnung über elektronische Frachtbeförderungsinformationen (eFTI) legt fest, dass ab 2025 Kontrollbehörden in der Lage sein müssen, Transportinformationen elektronisch abzufragen. Damit kann die Überwachung quasi vom Schreibtisch im Bundesamt für Güterverkehr ausgeführt werden. Eine Verschleierung wird schwieriger, schwarze Schafe fallen auf. Dies mag in Einzelfällen als Nachteil gewertet werden. Faktisch ist dies aber eher ein Vorteil im Wettbewerb.

Mit welchen Herausforderungen sieht man sich darüber hinaus noch konfrontiert?

Eine riesige Herausforderung ergibt sich aus Artikel 5 des Zusatzprotokolls zum elektronischen CMR-Frachtbrief. Danach müssen sich alle beteiligten Parteien, die den digitalen Frachtbrief nutzen möchten, auf ein geeignetes Verfahren einigen. Und dieses Verfahren muss äquivalent zum Papierverfahren sein.Papier bürgt mit Stempeln versehen für Authentizität und zudem für Integrität. Da der Frachtbrief immer mindestens in dreifacher Ausführung vorliegt, lassen sich die Dokumente leicht vergleichen und Unstimmigkeiten sind nachweisbar. Eine gemeinsam genutzte Software muss diesen Anspruch an die Integrität abbilden können und über Schnittstellen verfügen, damit sich die Informationen auch von anderen Systemen abrufen lassen. Der Papierfrachtbrief ist als weltweiter Standard anerkannt, im digitalen Bereich steht eine Standardisierung jedoch noch aus. Vor allem ist die Frage nicht beantwortet, wer in letzter Instanz einen solchen Standard setzen soll. In Deutschland arbeitet gerade das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) an einer spannenden Open-Source-Lösung, bei der ein Quellcode zur Erstellung von digitalen CMR-Frachtbriefen den Marktteilnehmern kostenlos zur Verfügung gestellt werden soll. Auf internationaler Ebene wäre viel gewonnen, wenn sich alle Staaten der G7 auf ein Mustergesetz zur Geltung elektronischer Transaktionen (Electronic Transaction Act) einigten, um so eine rechtssichere Grundlage für internationale elektronische Verträge zu schaffen.

Am 17. September hat das Beitrittsgesetz zum elektronischen Frachtbrief den Bundesrat passiert. Ab wann rechnen Sie mit dem breiten Einsatz in der Praxis?

Das Gesetz zum Beitritt Deutschlands zum CMR-Zusatzprotokoll wurde bereits vom Bundespräsidenten unterschrieben und das Auswärtiges Amt ist gemeinsam mit dem Bundesjustizministerium beauftragt, die Beitrittsurkunde bei den Vereinten Nationen zu hinterlegen. Ab Februar 2022 könnte der E-Frachtbrief dann genutzt werden. Den großen Schub wird es nach unserer Einschätzung allerdings nicht geben, da sich die Prozessbeteiligten zunächst auf funktionsfähige Abläufe verständigen müssen. Bis sich auch die Behörden und Gerichte mit der elektronischen Version des Transportvertrages vertraut gemacht haben, wird noch einige Zeit vergehen und so gehen wir davon aus, dass die neue Rechtsgrundlage keinen plötzlichen Dammbruch auslöst, sondern eher langsam in den Unternehmensalltag einsickern wird.

www.dslv.org

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