Blickpunkt
Die News November 2021

Gekommen, um zu bleiben

Wie KI das Marketing revolutioniert

Künstliche Intelligenz gilt als der Motor der Wirtschaft. Aber im Marketing bleibt die KI-Implementierung hinter ihren Möglichkeiten zurück. Dabei ist keine KI auch keine Lösung, denn Unternehmen, die die Technologie einsetzen, sind erfolgreicher. Woran liegt die zögerliche Haltung gegenüber KI und mit welchen pragmatischen Tipps gelingt der einfache Einstieg?

Prof. Dr. Claudia Bünte
Lesezeit: ca. 6 Minuten
PopTika / shutterstock.com

Mal ehrlich: Wie häufig nutzen Sie künstliche Intelligenz in Ihrem Marketingarbeitsalltag? Gar nicht, ab und zu oder täglich? Nicht so häufig? Und wie gut ist Ihr Wissen zu KI? Nur so mittelmäßig? Dann sind Sie in guter Gesellschaft: Zwar sagen 91 Prozent der in der Studie „KI – die Zukunft des Marketings 2021“ befragten Marketingmanagerinnen und Marketingmanager, dass KI heute schon wichtig für das Marketing sei. Aber nur 29,7 Prozent aller Befragten nutzen sie 2021 nach eigenen Angaben überhaupt in ihrer Marketing-Arbeit und nur 8,2 Prozent täglich. Und das Wissen liegt bei niedrigen 3,93 Prozent. Klingt eigentlich recht ernüchternd, oder?

Der aktuelle Einsatz von KI in Unternehmen 2021. SRH

Längst in Wirtschaft angekommen

Unter den acht größten Unternehmen auf Basis der Marktkapitalisierung findet sich 2020 mit dem Ölgiganten Saudi Aramco nur noch ein einziges Unternehmen, das nicht hauptsächlich von Software, Daten und Consumer Insights lebt. Alle anderen – Apple, Amazon, Facebook, Google, Microsoft, Tencent und Alibaba – haben ein Geschäftsmodell, das auf dem systematischen Sammeln von Kundendaten und deren Auswertung mittels KI beruht. Deshalb wird allgemein gesagt, Daten seien „das Öl des 21. Jahrhunderts“. Wer sehen will, wie die Digitalisierung Wirtschaft und Marketing revolutioniert, sollte auch nach China schauen. Unternehmen wie Alibaba, Tencent, Wechat und Co. nutzen diese tiefe Digitalisierung des chinesischen Alltags mithilfe von KI intensiv – auch in der Optimierung der Kommunikations- und Marketingmaßnahmen für ihre Hunderte Millionen von Kundinnen und Kunden. Ihre Waren und Dienstleistungen bieten sie in integrierten, sogenannten Plattform-Ökosystemen an. Mit diesen ist es möglich, Kunden von der Suche bis zur Bezahlung in einem einzigen digitalen Ökosystem zu behalten und zu analysieren. Durch die verknüpfte Datenanalyse mittels KI verstehen diese Unternehmen ihre Kundschaft besser, planen Werbestrategien individueller, gestalten Kampagnen kreativ besser aus, adressieren sie individuell und messen die Performance im Segment-of-One – also bis hin zur Einzelperson. So entwickelt sich ein sogenanntes „New Marketing“.

Das Ergebnis ist zwangsläufig dreigeteilt: Erstens, Kundinnen und Kunden fühlen sich besser verstanden, wertschätzen, dass der Einkauf für sie einfacher wird, kaufen daher mehr in diesem Ökosystem ein, das System erhält mehr Daten, ein Analyse-und-Optimierungskreislauf startet. Zweitens: Wer in China ohne KI in der Werbung arbeitet, verliert, weil seine Angebote nicht so perfekt auf die Wünsche der Zielgruppe ausgerechnet sind oder nicht so pünktlich ausgespielt werden, wie die immer verwöhnteren Kundinnen und Kunden es mittlerweile erwarten. Drittens: Marketing wird ein Marketing in Echtzeit. Das heißt: Daten sammeln, analysieren, die Strategie anpassen, ein Angebot entwickeln und ausspielen passiert nicht, wie vielleicht noch bei uns, als Jahres- oder Halbjahreskampagne, sondern in Echtzeit – tages- und teilweise minutenaktuell.

Einsatz von KI im Unternehmen und Erfolg nach Einschätzung der Befragten. SRH

Mögliche Hindernisse, KI im Marketing einzusetzen

Warum wird KI dann bei uns in den Unternehmen so wenig genutzt? Die Analysen der aktuellen Studie „KI – die Zukunft des Marketings“ zeigen, dass es fünf Gründe gibt, die Managerinnen und Manager daran hindern, KI entsprechend des eigentlichen Potenzials einzusetzen: (a) Das Wissen zu KI ist nach eigener Einschätzung eher gering, (b) die KI-Einschätzungen von Führungskräften und Mitarbeitenden im selben Team unterscheiden sich deutlich, (c) der Fokus auf Daten ist teilweise nur gering ausgeprägt und (d) die Erfahrungen mit KI bewegen sich bisher auf geringem Niveau, e) die Einstellung gegenüber KI verändert sich zwar positiv, es gibt aber weiterhin Skeptiker.

So gelingt KI im Marketing

Die oben beschriebenen Barrieren für den wirkungsvollen Einsatz von KI im Marketing sind bei näherer Betrachtung überwindbare Hindernisse. Für die Herausforderungen braucht es allein gute Management-Fähigkeiten. Keine Führungskraft muss beispielsweise codieren lernen. Hier ein paar praktische Hinweise, wie ein Start mit KI erfolgreich sein kann:

KI-Wissen nach eigener Einschätzung eher gering

Auf einer Skala von 1 (geringes Wissen) bis 7 (hohes Wissen) liegt der Durchschnitt aller Marketing-Profis nach eigener Aussage bei mageren 3,93, das ihrer Marketingabteilungen bei noch geringeren 3,33 Punkten. Wer glaubt, sich mit einem innovativen Thema nicht gut auszukennen, scheut davor zurück, Geld und Personalressourcen zu investieren. Für diese selbst attestierte Wissenslücke gibt es bereits sehr gute Lösungen, von denen einige exemplarisch genannt werden sollen:

Gute Wissens- und Lernplattformen

  • https://kirevolution.com – kostenlose Wissensplattform zu KI in Marketing, Handel, Werbung, mit Best-Practice-Beispielen, online abrufbaren Key Notes und vielen Tipps und Hinweisen
  • https://ki-campus.org; https://www.udemy.com; https://iversity.org/de – drei kostenpflichtige Online-Lerninhalte

Erfahrungen mit KI bisher auf geringem Niveau

Fast 70 Prozent der Befragten haben im Job noch keine Erfahrung mit KI-Tools im Marketing. Und fast die Hälfte der übrigen rund 30 Prozent der Befragten, also die, die KI schon im Marketing einsetzen, nutzt Insellösungen; nur 15 Prozent der KI-Tools sind voll integriert. Mit anderen Worten, auch bei denen, die KI im Marketing bereits einsetzen, sind Algorithmen längst noch kein Alltag, sondern fristen das Dasein einer Sonderlösung. Dabei existieren sehr gute SaaS-Lösungen gerade im Marketing. Bei diesen Lösungen muss der eigene Mitarbeitende das Tool anwenden und steuern können, aber nicht notwendigerweise die Software programmieren. Gerade in der Werbung existieren viele erprobte Tools, weil hier die für KI benötigen großen Datenmengen oft schon vorliegen, anders als zum Beispiel bei Produkt- oder Strategieentwicklung. Die folgenden Beispiele zeigen für die Aufgaben Text und Werbewirkung, wie KI Kommunikationsprofis unterstützen kann:

  • Erstellung von Texten: „Retresco“ bietet KI-Lösungen zum automatischen Erstellen von Werbe- und journalistischen Texten. Die Anwendung eignet sich besonders gut, wenn relativ ähnliche Texte in großer Anzahl immer wieder neu erstellt werden müssen, zum Beispiel Wetterberichte, Fußballergebnisse oder Beschreibungstexte für Wohnungen auf online-Immobilienplattformen. Die Software ersetzt das ermüdende Schreiben von sehr ähnlichen Texten. „Retresco“ erstellt beispielsweise auch automatisch Produktbeschreibungen für Kleidung auf der Plattform eines deutschen Online-Warenhauses. Dabei reduzierte die Anwendung die Zeit für die Texterstellung, die Zyklen des Redigierens bis zur Textfreigabe und Nachbesserungen im hohen zweistelligen Prozentbereich.
  • Überprüfung von Texten: „Neuroflash“ ist für alle Marketeers sinnvoll, die mit redaktionellen und werblichen Texten arbeiten. Die Anwendung unterstützt dabei, aus mehreren Headlines und Copys diejenigen auszuwählen, die zu einem gewünschten Effekt bei ausgewählten Zielgruppen führen. Regelmäßige aufwendige A/B-Tests entfallen dabei. Die Anwendung kann einschätzen: Welche Headline verkauft eine Zeitung am nächsten Morgen am ehesten? Welcher Text ist der beste für eine Baustoff-Werbung online?
  • Social-Media-Optimierung: „Keyhole“ analysiert, berichtet und verbessert Social-Media-Aktivitäten von Unternehmen. Ziel ist unter anderem, negative Sentiments oder sogar sogenannte „Shitstorms“ im Internet nicht nur zu beobachten und darüber zu berichten, sondern vorherzusagen und die Tonalität der entsprechenden Unternehmenskommunikation vorzuschlagen.
  • Automatisiertes Werbewirkung im Pre-Test: „Affectiva“ misst die Werbewirkung eines Videoclips, indem die Gesichter der Betrachtenden gescannt werden. Dabei werden mittels KI kleine Veränderungen der Gesichtsmuskulatur (sogenannte Mikroexpressionen) erkannt und ausgewertet. Die Anwendung analysiert, ob ein Spot die richtige Länge hat, ob an bestimmten Stellen gekürzt oder optimiert werden sollte.
  • Kampagnenaussteuerung- und Performance-Management: „Albert“ ist ein Software-Tool zur Planung und Durchführung von Online-Kampagnen. Verschiedene Social-Media- und Online-Anwendungen können integriert werden. Es nutzt einen Algorithmus, der aus den gesammelten Daten des jeweiligen Werbetreibenden lernt und Anregungen für optimierten Budget-Einsatz gibt.

Wenn zu viele Skeptiker an Bord sind

Eine Segmentierung, gerechnet mit den Daten der Studie „KI – die Zukunft des Marketings“, zeigt sechs verschiedene KI-Manager-Typen. Fünf von ihnen stehen KI positiv gegenüber. Die Mitglieder einer Gruppe allerdings, die sogenannten „KI-Skeptiker“, sind grundsätzlich gegen KI eingestellt. Sie befürchten unter anderem einen Arbeitsplatzverlust und glauben nicht, dass ihr Unternehmen durch KI erfolgreicher sein wird. Ihr Anteil beträgt 2021 rund zehn Prozent der Befragten. Er kann außerdem in Marketingteams schwanken, in einzelnen Teams zwischen null und 30 Prozent. Das Problem: Wenn man zu viele Skeptiker im Team hat, wird die erfolgreiche Nutzung von KI als Tool erschwert bis unmöglich sein. Dann wäre wichtig, vor der Pilotierung von KI zusammen mit dem Team, und in großen Firmen mit der HR-Abteilung, zu erarbeiten, wie der Einsatz gelingen kann.

Zusammenfassend kann mal also sagen: KI ist gekommen, um zu bleiben. Und mit vielen, heute schon gut funktionierenden, einfach zu bedienenden KI-Werkzeugen kann jeder im Marketing KI mit Erfolg einsetzen.

Praxis-Tipp

Wer wissen möchte, in welches Segment er/sie selbst fällt, kann hier den kostenlosen, anonymen Schnell-Selbsttest durchführen: https://kaiserscholle.de/de/ki-typomat. Test für das gesamte Team plus Empfehlungen können auch durchgeführt werden: Anfragen per E-Mail an KI@kaiserscholle.com.

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