Im Interview
Die News März 2021

„Ich habe diese Leidenschaft. Bei Tennis würde ich das nicht machen.“

Der Stuttgarter Immobilienunternehmer Gerhard Senft agiert oft im Verborgenen. Durch einen glücklichen Zufall wurde er zum Mit-Ermöglicher des größten deutschen Erfolgs der jüngeren Segelsportgeschichte. Während sich derzeit alle auf Boris Herrmann stürzen hat News-Herausgeber Nils-Peter Hey den begeisterten Segler zum Hintergrundgespräch getroffen.

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BorisHerrmannRacing / Andreas Lindlhar

Gerhard Senft und die „Seaexplorer“.

Die Vendée Globe gilt als die härteste Solo-Segler-Regatta der Welt. Dieses Jahr war die Aufmerksamkeit besonders groß. Warum?

Ja, da kam vieles zusammen. Erst die deutsche Beteiligung, dann der knappe Verlauf, der Corona-Winter hat sein Übriges getan. Das war eine schöne Ablenkung, da man ohnehin nicht viel machen konnte. Ich glaube, das ging vielen so – auch Menschen, die mit dem Segelsport nicht verbunden sind. In meinem Freundeskreis sind eigentlich nur Nicht-Segler, und plötzlich waren alle ganz begeistert und freuten sich über die Unterhaltung.

Fangen wir vorne an: Als Unternehmer treten Sie als „Privatinvestor“ auf. Was bedeutet das?

Um das zu erklären, muss ich meinen Vater erwähnen. Er kommt aus der Automobilbranche und Volvo hat ihn als ersten Ausländer in den Vorstand geholt. Volvo wollte sich damals internationaler aufstellen. Über ein Netzwerk kam man auf meinen Vater. Er war der erste Ausländer bei Volvo in Schweden in den Siebzigerjahren. Das war sehr außergewöhnlich. Schweden war seinerzeit ähnlich national orientiert wie Bayern – weniger offen, sehr geschlossen. So sind wir nach Skandinavien gekommen, lebten in Göteborg und sind im Sommer immer gesegelt. So habe ich die Liebe zum Meer und zum Segeln entdeckt.

Mein Vater hat später in der Automobilzulieferindustrie eine Firma übernommen, saniert und ein gewisses Vermögen geschaffen. Das führte dazu, dass er sehr früh Firmenanteile an meine Schwester und mich übertragen konnte. Mir war klar, dass ich nicht in die Industrie gehen würde, aber durch den Verkauf der Anteile ich hatte einen kleinen Grundstock an Vermögen. Ich selbst habe Medientechnik studiert. Anfang der 2000er-Jahre kam dann die New-Economy-Krise, eine Firma nach der anderen machte zu. Auch das Unternehmen, für das ich gearbeitet hatte. Eine Zeit lang war ich arbeitslos, das war schwierig. Dann habe ich durch Zufall einen Makler in Stuttgart kennengelernt. Wir sprachen darüber, etwas komplett Neues anzufangen und die ganze Karriere, das Studium hinter mir zu lassen. So wurde ich freier Handelsvertreter im Immobilienbereich. Unter meinen Freunden sagen wir lächelnd: „Wenn man nichts kann, wird man Makler.“ Genau das war aber im Nachhinein eine sehr gute Entscheidung. Ich habe dort nicht nur das Immobilienhandwerk gelernt, sondern alles, was man über Bewertung und Kommunikation wissen muss. Zudem habe ich den Markt in Stuttgart sehr gut kennengelernt und ein gutes Netzwerk aufgebaut. Meine engsten Freunde kommen alle aus dieser Zeit.

Das Vermitteln alleine war aber nicht mein Ding, dafür aber das Investieren in und den Vermögensaufbau mit Immobilien. So wurde das Mehrfamilienhaus zu meinem Steckenpferd. Damals was das mutig, die Häuser konnte man sich auf dem Markt aussuchen. Die Zinsen waren bei fünf Prozent, die Renditen trotzdem nur bei vier Prozent. Das war also zuerst einmal ein Zuschussgeschäft. Aber ich hatte die Vision, dass das erfolgreich werden wird. Man muss nur lange genug warten und das hat sich bewahrheitet. In den letzten Jahren sind die Preise extrem gestiegen. Inzwischen hat das Vermögen eine Größenordnung angenommen, bei der ich aus den Mietüberschüssen der Objekte, die ich vor 16 Jahren gekauft habe, meinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Das Trading-Geschäft habe ich aufgegeben. Ich bin jetzt nur noch „Privatinvestor“. Diesen Titel habe ich mir vor zehn Jahren zugelegt. Ich will privat weiter investieren und weiter kaufen. Operativ bin ich heute einer dieser Digitalnomaden, ich kann fast alles von unterwegs machen.

Wie kamen Sie von den Immobilien zu Boris Herrmann?

Seit der Schweden-Zeit kam ich leider nicht mehr zum Segeln, weil einfach zu viele andere Sachen präsent waren. Mich hat es aber immer wieder ans Wasser zurückgezogen. 2016 haben sich meine Frau und ich ein Segelschiff gekauft, eine CNB 76 („Construction Navale de Bordeaux“, Anm. d. Red.). Das war unser erstes eigenes Boot. Eigentlich waren wir nur auf der Bootsmesse in Düsseldorf, um uns Charterboote anzusehen. Aber dort sahen wir die CNB und haben uns sofort verliebt. Innerhalb von zwei Tagen ist dann ein Lebenstraum entstanden: Damit zu segeln, viel Zeit zu verbringen, die Welt zu erkunden. Da sind wir sehr spontan. Der Kontakt zu Boris Herrmann kam kurze Zeit später über eben dieses Segelschiff zustande.

CNB veranstaltet einmal im Jahr ein Owners-Meeting mit einer kleinen Regatta. Ich bin zuvor noch nie Regatta gesegelt und hatte keine Ahnung davon. Also sprach ich mit unserem Broker Arno Kronenberg von „Kronenberg Yachting“, dass ich gerne einen Profi an Bord hätte. Jemanden, der Navigation und Taktik macht und uns auf der eigenen Yacht ausbildet. So lernte ich Boris Herrmann kennen. Er war schon gestandener Profi und bereit, auf eine schwere 76er (ca. 23 Meter Bootslänge und 45 Tonnern Verdrängung, Anm. d. Redaktion) zu kommen, um mit uns unerfahrenen Seglern diese kleine Spaß-Regatta zu segeln. Wir waren uns sofort sehr sympathisch und er hat von seinem Traum erzählt, die Vendée Globe zu segeln. Er hat uns die IMOCA-Klasse erklärt, das sind sehr schnelle und leichte Regattaboote für Langstreckenrennen. Ich wusste lediglich von den America`s-Cup-Booten und dass das eine wahnsinnige Materialschlacht ist, nach der die Boote nahezu wertlos sind. Bei den IMOCAs ist das anders, die sind sehr wertbeständig. Man hat beobachten können: Ältere Boote der letzten und vorletzten Generationen konnten sehr gut mithalten. Einen gewissen Wertverlust haben die auch, aber der ist überschaubar und es gibt einen Markt dafür. In der Folge haben wir einen Deal gemacht: Ich konnte mir vorstellen in das Boot zu investieren, sofern der Wertverlust irgendwie ausgeglichen wird. Ich bin kein großer Mäzen, ich bin Privatmann. Also habe ich investiert und bin ins Risiko gegangen. Wir brauchten aber einen Partner, der mir über vier Jahre eine Charter zahlt und das war der „Yachtclub de Monaco“ von Pierre Casiraghi. Ich habe die „Seaexplorer“ gekauft, das Team war Malizia und der Hauptsponsor „Yachtclub de Monaco“.

Boris hatte also fortan ein Boot und er hatte einen Sponsor. Das sind die wesentlichen Faktoren, um starten zu können. Doch erst Kühne & Nagel hat das notwendige, große Budget eingebracht. Die kamen durch die Greta-Thunberg-Aktion 2019 dazu (Boris Herrmann skipperte die Klimaaktivistin über den Atlantik, Anm. d. Redaktion). Anfang 2020 kam dann der letzte Federstrich. Boris sagte: „Mensch, wir brauchen neue Foils, wir wollen konkurrenzfähig sein.“ Foils (Tragflächen, Anm. d. Redaktion) sind sehr, sehr teuer. Ich konnte einen kleinen Teil dazu beitragen und sagte: „Wenn ihr das macht, super, das wertet mein Boot auf. Ich habe was davon, aber ich kann das nicht komplett bezahlen. Ich mache aber gerne den Anfang.“ Und das wiederum hat Kühne & Nagel restlos überzeugt. „Wenn der Eigner daran glaubt, dann zahlen wir den Rest.“ Der kleine Anfang kam wieder von mir, den Rest hat Kühne & Nagel aufgestockt. Es war insgesamt ein Vier-Jahres-Vertrag mit Exit-Strategie. Unsere Ziele haben wir mehr als erreicht, die „Seaexplorer“ wird jetzt wie geplant verkauft.

Romain Claris

Das hört sich alles ganz einfach an.

Ja, so wie wir die CNB 76 spontan gekauft haben, war auch das wirklich kurz entschlossen. Ich höre sehr auf meinen Bauch. Ich habe Boris kennengelernt und hatte sofort ein gutes Gefühl. Boris ist ein super netter Mensch und ein toller Sportler. Er hat Wirtschaft studiert, er kann also mit Geld umgehen, er kann mit Menschen umgehen, ein Team aufbauen. Das sind alles sehr positive Faktoren. Tolle Sportler gibt es viele, aber wenn die den Rest nicht können, wird es schwierig. Er bringt einfach alles mit, er sieht gut aus, er kann vor der Kamera reden. Das war damals wirklich eine Vision: Das Hochseesegeln ein bisschen in die deutschen Medien zu bringen, weil das so ein spannender Sport ist! Daran, dass es sich so entwickeln würde, haben wir nicht im Traum gedacht. Es ist fantastisch zu erleben, dass es jetzt so groß wurde.

Warum nutzen Sie das für sich nicht mehr als Plattform zur Eigenkommunikation?

Ich bin tatsächlich unter dem Radar geflogen in Stuttgart. Das ist ein sehr spezielles, kleines Geschäft auf einem sehr lokalen Markt, den ich bediene. Ich investiere nur in Mehrfamilienhäuser in Stuttgart. Das ist so speziell, dass das persönliche Netzwerk viel wichtiger ist als die Öffentlichkeit. Mit vielen Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, bin ich sehr gut befreundet. Es sind gleichzeitig meine besten Freunde aus der Maklerzeit. Ich habe letztes Jahr einen größeren Deal gemacht, ein Wohnkomplex bei Stuttgart mit 15 Millionen Euro Investition. Das ist deutlich mehr, als die Projekte oder Objekte, die ich bisher akquirierte. Das haben wir veröffentlicht. Aber es würde nicht viel bringen, das größer aufzuziehen. Ich brauche nur hier in Stuttgart die richtigen Kontakte, denn die besten Objekte gehen nicht über den Markt, die gehen nur über so ein hochqualitatives Netzwerk. Insofern ist es eine Gratwanderung, wenn man zu groß und zu offen ist, denn dann halten manche vielleicht sogar Abstand. Also ich muss im Sinne meiner Partner aufpassen, dass wir nicht zu viel an die Öffentlichkeit gehen.

Noch einmal kurz zurück zu Boris Herrmann. Er muss sich jetzt um ein neues Boot bemühen. Sind Sie wieder dabei?

Das muss man sehen. Als Unterstützer bin ich sicher dabei, aber dass ich noch einmal in die Vollen gehe und komplett investiere, das glaube ich eher nicht. Er möchte jetzt einen Neubau, das ist finanziell eine ganz andere Hausnummer. Vielleicht bin ich auch als Miteigner dabei, aber nicht mehr in der bisherigen Form. Das war als Anschub auf vier Jahre angelegt. Boris hat mit unserer Hilfe seinen Traum verwirklicht. Jetzt hat er alle Möglichkeiten. Ich denke, dass jetzt Viele Schlange stehen und hoffe das auch für ihn.

Würden Sie so ein Modell mit weiteren Nachwuchsseglern noch einmal machen?

Ich glaube nicht, das war eine einmalige Geschichte, so wie ich es beschrieben habe. Es war dieser Zufall, dieses Kennenlernen, dieses Erstmalige. Da ist der erste Deutsche in diesem außergewöhnlichen Rennen. Das in die deutschen Medien zu bringen, etwas, was hier niemand kennt. Wir haben das Ziel mehr als erreicht, das hat in dem Moment einfach alles gepasst.

Wenn ein Unternehmer mit dem Gedanken spielt als Sportförderer aktiv zu werden, was würden Sie diesem raten?

Es ist wichtig, einen persönlichen Bezug und eine Leidenschaft für das Thema zu haben. Mein Antrieb waren die Dinge, die ich aufgezählt habe. Der Antrieb lag zusätzätzlich darin, einen Bereich kennenzulernen, den ich nicht kannte und an den man sonst auch nicht herankommt. Wenn jemand gerne Auto fährt und in einem Formel-1-Auto sitzen möchte, dann geht das normalerweise nicht. So war das für mich auch. Beim Start der Vendée Globe laufen hunderttausende von Menschen den Steg auf und ab, um diese IMOCA-Boote zu bewundern. Die Möglichkeit, da einfach mal mitzusegeln, hat man nicht. Es muss einem Spaß machen, ich habe diese Segel-Leidenschaft. Bei Tennis würde ich das nicht machen. Wenn ich jemanden kennenlernen würde, der sicher ganz vorne im Tennis mit dabei sein könnte, würde mich das nicht interessieren. Es muss etwas sein, zu dem man selber einen klaren Bezug hat.

Der Stuttgarter Immobilienunternehmer am Steuer seiner Yacht. Sabine Senft

Herr Senft, herzlichen Dank für das Gespräch!

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