„Im Kern geht es um Change und Innovation“
Brauchen wir in Zukunft überhaupt noch Büros? Und wenn ja, wofür? Der Digital-Unternehmer und Innovationsforscher Dr. Paul Blazek transformiert eine historische Brotfabrik zur Co-Innovation Factory.

Das Miteinander von rauen Materialien, offener Installationstechnik, unterschiedlichen Wand- und Deckenstrukturen, Kunst und perfekt gestalteten Möbeln erzeugt einzigartige, inspirierende Raumatmosphären.
Durch die Pandemie hat sich der Transformationsdruck quer durch die Branchen dramatisch erhöht. Mehr denn je sind Anpassungsfähigkeit, Innovationskraft und Innovationsgeschwindigkeit gefragt. Gleichzeitig hat die Digitalisierung die Arbeitsweisen fundamental verändert: Ein Zurück in die Vor-Corona-Zeit wird es kaum geben. Braucht es dann überhaupt noch analoge Büroarbeitswelten? Und was müssen sie leisten? Wir sprachen dazu mit Dr. Paul Blazek, der mit seiner Agentur Cyledge Media auf die Gestaltung digitaler Erlebnisse spezialisiert ist, als Wissenschaftler zu Innovationen forscht und aktuell Räume der legendären Wiener Ankerbrot-Fabrik in eine Wissensfabrik verwandelt.
Ihr Unternehmen lebt von Innovationen – und das in der besonders schnelllebigen Digitalbranche. Was sind die wichtigsten Herausforderungen, auf die ein modernes Bürokonzept antworten muss?
Digitalisierung, Gesundheit und Nachhaltigkeit sind übergreifende Trends, die durch die Pandemie enorm beschleunigt wurden. Sie erfordern ganzheitliche Konzepte, die auf Wohlbefinden, Zusammenarbeit, Identität und Sinnstiftung einzahlen. Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Das Homeoffice als Maßnahme der Pandemiebekämpfung zeigt, wie eng Arbeitsorte, Gesundheit aber auch Umwelteffekte – etwa durch weniger Verkehrsemissionen – zusammenhängen. Gleichzeitig kann Remote-Work nur mit komplett digitalisierten Prozessen funktionieren, die wiederum neue Kulturen der Zusammenarbeit erfordern. Aber andauerndes Homeoffice führt auch zu Entfremdung, die Innovations- und Veränderungsprozesse sind mühsam und der Bewegungsmangel zeitigt gravierende Gesundheitsprobleme – von den individuellen psychischen Belastungen nicht zu reden. Es geht also um die sorgfältige Bewertung, welche Orte und Umgebungen die Menschen in den jeweiligen Arbeitsprozessen am besten unterstützen können – sowohl die analogen, als auch die virtuellen.


Was heißt das konkret?
Die Büroräume werden von Orten, die vor allem der Mitarbeiter-Präsenz und den Wertschöpfungsprozessen Einzelner dienten, zu Räumlichkeiten für Inspiration, Ideenvielfalt und Vertrauensbildung. Im Kern geht es um Change und Innovation. Und das braucht vor allem Gemeinschaftssinn und Kooperation. Dazu gehören wesentlich die spontanen, interdisziplinären und auch zufälligen Begegnungen. Also ja: Wir brauchen Büros, aber die müssen ganz anders konzipiert werden: als Orte für vielfältige Kollaborationsformen, die nicht nur den Status quo abbilden, sondern auch das Zukunftspotenzial sichtbar machen.
Aber gerade Sie sind doch als Unternehmer und Hochschullehrer ein Innovationstreiber digitaler Erlebnisse und Mitbegründer zahlreicher Start-ups. Ersetzt das nicht den analogen Raum?
Es geht hier nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch. Und das bezieht sich auf die Arbeitsorte ebenso wie auf die Art der Zusammenarbeit und der Erlebnisse. Innovationsprozesse gestalten sich zunehmend offen, multilokal, und sie beziehen eine breite Palette gesellschaftlicher Akteure ein. Wir Menschen können digital, aber wir sind zutiefst analog. Also reichern wir eine möglichst inspirierende und aktivierende Umgebung mit digitalen Informations- und Erlebnisräumen an. So wie wir das gerade in unserer Co-Innovation Factory in der Wiener Ankerbrot-Fabrik umsetzen.

Eigentlich stellt man sich unter einer Innovationsfabrik ja nicht gerade ein Industriedenkmal aus dem frühen 20. Jahrhundert vor. Wieso setzen Sie Ihr Konzept ausgerechnet hier um?
In den historischen Gebäuden finden sich heute Kunstbetriebe, Unternehmensschauräume, Fortbildungsinstitutionen sowie Wohnungen und besondere Gastronomie. In der Nachbarschaft eröffnete unlängst die Central European University. Das ist genau das vielfältige, vibrierende Umfeld, das eine Innovationsfabrik braucht. Im Inneren des Gebäudes haben wir die Schichten aus den Dekaden sichtbar gemacht und die Räume mit neuen Strukturen und Technologien für virtuell erweiterte Formate der Zusammenarbeit aktiviert. Das Prozesshafte und Unfertige der Atmosphäre stimuliert und setzt Impulse, um gemeinsam am Morgen zu arbeiten – in der ganzen Bandbreite von inkrementell bis disruptiv.
Und Ihre Zielsetzung?
Mit der Co-Innovation Factory als ganzheitlich konzipiertem Human-Centered-Workplace bieten wir die Plattform und die Begleitung für eine wachsende Community, die sich der Veränderung und Verbesserung der Innovationskultur verschrieben hat – und die durch regen Austausch über die eigenen Unternehmens- und Projektgrenzen hinweg Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig voranbringen will!