Im Miteinander Stärken stärken
"Willst du schnell gehen, gehe allein. Willst du weit gehen, gehe zusammen." Dieses afrikanische Sprichwort bringt es auf den Punkt. Wenn Unternehmen "weit gehen" und erfolgreiche Lösungen entwickeln wollen, braucht es auch Kooperationen mit unterschiedlichen Kompetenzen und Ressourcen.

Dank einer Forschungskooperation konnte das Familienunternehmen Kiesel Bauchemie sein Portfolio um eine innovative Lösung erweitern.
Es gibt sie noch, die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, deren Erfolgsgeschichte auf langjähriger Erfahrung und bewährten Produkten beruht. Doch eine Erfolgsgarantie ist damit nicht automatisch verbunden. Denn die Kette der Zukunftsfragen ist lang: In welchem ökonomischen Umfeld ist man unterwegs, wie wirken sich immer schneller werdende Technologiezyklen auf das jetzige Angebot aus, welche Innovationsdynamik prägt die Märkte, mit welcher weltweiten Vernetzung von Geschäftspartnern wird man konfrontiert? Es sind Fragen wie diese, die deutlich machen, warum kleinere und mittlere Firmen häufig zu den Verlierern im Wettbewerb zählen. Allein sind sie zu klein, um gegen die immer größer werdenden Großen zu bestehen. Wenn es zu viel Zeit und Kraft kostet, ein Ziel im Alleingang zu erreichen, liegt es daher nahe, sich mit einem Partner zu verbünden.
Augen auf bei der Partnerwahl
Solche „Koalitionen“ kennen wir aus vielen Bereichen, wie zum Beispiel auch der Politik – vielleicht hält dies auch manches Familienunternehmen von derartigen Allianzen ab. Wer will schon gerne Kompromisse eingehen, wo doch Fortschritt gefordert ist? Aber wie immer bei der „Partnerwahl“ gilt auch hier: Augen auf! Während die Tüftler früherer Zeiten häufig abgeschottet gearbeitet haben, hat sich die Welt zwischenzeitlich gewandelt. Kooperationen, nicht nur im Bereich Forschung und Entwicklung, sind durchaus von Vorteil. Beispielsweise werden technologische Weiterentwicklungen mittlerweile weniger durch Einzelkomponenten erreicht, als durch „Systemlösungen“. Ein hoch spezialisiertes Mittelstandsunternehmen kann sein Know-how, etwa in der Elektronik oder Feinmechanik, in einer Kooperation wirkungsvoll und wertschöpfend einbringen. Es ergibt also wirklich Sinn, wenn sich Unternehmen verbünden, um die ständig wachsenden Kundenanforderungen nach differenzierten Leistungsspektren richtig erfüllen zu können. Wenn entlang der gesamten Wertschöpfungskette „gemeinsame Sache“ gemacht wird, ist das zum Vorteil und Wohle aller.
Es braucht ein neues Denken
Doch gerade der Mittelstand tut sich in der Praxis oft schwer, eine Unternehmenskooperation sinnvoll zu bilden und erfolgreich zu gestalten, obwohl Firmen mittlerweile immer häufiger an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stoßen und bestimmte Marktchancen nicht effizient nutzen können. Hier braucht es neues Denken. Wirtschaftliche Erfolge hängen zunehmend von den Menschen und weniger von den Maschinen in den Unternehmen ab. Wer „Zukunftsmanagement“ für sein Unternehmen betreibt, muss auch an Allianzen denken. Auch deshalb, weil Akquisitionen oder Fusionen, als Alternative, häufig viel Geld kosten und nicht ohne Risiko sind.
Bei einer guten Kooperation geht es darum, Kompetenzen gegenseitig zu ergänzen und im Miteinander eine größere Schlagkraft zu entfalten. Bei der Partnersuche steht daher das Kompetenzprofil ganz oben im Kriterienkatalog. Doch damit alleine ist es nicht getan. Es braucht auch möglichst große Schnittmengen zwischen den Strategien der Firmen, den Zielvorstellungen und vor allem den Unternehmenskulturen. Nur so marschieren beide Partner im Gleichschritt.
Zieldefinition und klare Aufgabenverteilung
Von Anfang an braucht es Klarheit über die Ziele und Aufgaben der Kooperation. Jeder Partner muss sich damit identifizieren können. Grundlage einer jeden Kooperation ist immer eine klare und realistische Einschätzung des anfänglichen und laufenden Ressourcenbedarfs, gemeinsame Vorstellungen über die Form der Zusammenarbeit und über die Aufteilung der Aufgaben und Verantwortungen. Der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zwischen den Partnern, durch persönliche Kontakte und „klare Spielregeln“, ist unverzichtbar für den Kooperationserfolg. Erst dann ist es sinnvoll, sich über die Form und rechtliche Gestaltung der Kooperation Gedanken zu machen.
Zukunftsmanagement neu aufgestellt
Wie erfolgreich ein Miteinander sein kann, zeigt das Praxisbeispiel einer Cross-Industry-Kooperation. Die Kiesel Bauchemie mit Hauptsitz in Esslingen ist ein typisches mittelständisches Unternehmen, familiengeführt und mit Herzblut am Markt aktiv. Gegründet im Jahr 1959, beschäftigt Kiesel heute rund 200 Mitarbeitende und ist mit seinen Produkten weltweit vertreten. Kernkompetenzen sind die Entwicklung und Herstellung von Spachtelmassen, Dispersionsklebstoffen sowie Feinmörteln. Alles ist darauf ausgerichtet, innovative Produkte zu schaffen, die den Menschen einen gesunden, wohnlichen und optisch ansprechenden Lebensraum ermöglichen. Deshalb verfügt die Kiesel Bauchemie auch über ein eigenes Forschungs- und Entwicklungslabor. In den vergangenen Jahren hat das Familienunternehmen sein Zukunftsmanagement neu aufgestellt und zahlreiche Produktinnovationen auf den Markt gebracht. Dabei spielen auch Kooperationen eine wichtige Rolle. So zum Beispiel beim patentierten „Okalift Super Change“, einem Systemprodukt, das es erlaubt, alle Wand‐ und Bodenbeläge schnell und weitgehend staubfrei vom Untergrund zu trennen. Der wesentliche Unterschied: Die Funktion des neuen Bauwerkstoffes resultiert aus einem zweilagigen Gewebe, das durch ein Netz von Fäden verbunden ist. Dieses textile Gewebe wird in einer anderen Branche seit Jahrzehnten eingesetzt – als Airbag in der Automobilindustrie.
Neugier und Offenheit entscheidend
Wie kommt nun ein Bauchemie-Hersteller auf die Idee, sich mit Airbag-Material zu beschäftigen? Auch hier zeigte es sich, wie wichtig Neugier und Offenheit sind. Denn nur wenige Kilometer von Kiesel entfernt gibt es das Textilforschungszentrum ITV-Denkendorf. Im Dialog, quasi über den Gartenzaun, wurde intensiv darüber gesprochen, welche Kraft und Energie es braucht, um alte Wand- und Bodenbeläge zu entfernen – und wie einfach es doch wäre, wenn man alte Fliesen, Parkett et cetera auf einem Belag, quasi im Reißverschlusssystem, abziehen könnte. Und das ist die Idee! Genauso funktioniert das realisierte Produkt: Das zweilagige Textilgewebe wird getrennt, die obere Lage abgezogen, mit allen darauf befindlichen Belagsmaterialien. Dann wird einfach wieder eine neue zweilagige Textillage eingearbeitet – und die Vorteile sind auch bei der Folge-Renovierung wieder da. Wo auch immer das Produkt verbaut ist, geht die in der Zukunft anstehende, aber unausweichliche Sanierung und Renovierung für alle Beteiligten erheblich leichter, schneller und auch weitgehend staubfrei vonstatten. Kiesel hat klar erkannt, dass das Unternehmen am Markt und gegen Wettbewerber, die „Goliaths“, nur erfolgreich weiterbestehen kann, wenn man kontinuierlich Ideen generiert, diese bewertet und die Favoriten zu Innovationen weiterentwickelt. Das Prinzip der „Closed Innovation“ ist beim Familienunternehmen Vergangenheit. Die leistungsstarke F&E-Abteilung schaut bewusst über den eigenen Tellerrand hinaus, ist auch interessiert an Kooperationen. Diese Öffnung bezeichnet man als „Open Innovation“.
Übrigens, die wichtigste aller Anforderungen an ein gutes Miteinander lautet: In einer Kooperation sollte es grundsätzlich nur Gewinner geben; wenn das nicht der Fall ist, so hat die Kooperation ihr Ziel nicht erreicht.