Blickpunkt
Die News Januar/Februar 2023

Interessen in Einklang bringen

Bei Forschungskooperation lauert die Tücke im Detail

Kooperationen mit Forschungseinrichtungen bringen für Familienunternehmen einige Vorzüge mit sich, wenn sie denn gut vorbereitet sind. Was dabei zu beachten ist, erläutert Luise Götz, Technologietransfermanagerin bei der IHK Region Stuttgart, im Interview.

Hendrik Fuchs
Lesezeit: ca. 5 Minuten
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Weshalb zahlt sich eine Kooperation mit Forschungseinrichtungen gerade für Mittelständler häufig aus?

Nur sehr wenige mittelständischen Familienunternehmen verfügen über eine eigene Forschungsabteilung. Dadurch sind sie in ihren Ressourcen begrenzt. Es fehlt an Kapazitäten von geeignetem Personal, passenden Räumlichkeiten und Mess-Apparaturen, manchmal auch an den finanziellen Mitteln. Für Mittelständler wird es immer wichtiger, branchen- und technologieübergreifend zu interagieren, um daraus neue Geschäftsmodelle entwickeln zu können. Dazu braucht es entsprechende Know-how-Träger, die aber vielen Mittelständlern nicht zur Verfügung stehen. Dank einer Kooperation mit einer Forschungseinrichtung lassen sich solche Lücken schließen und Experten mit Wissen zu aktuellen Themen, jedoch auch mit spezialisiertem Know-how und einem nützlichen Netzwerk mit ins Boot holen. Allein durch den Austausch mit Wissenschaftlern, den Blick von außen, entsteht da sehr viel Neues.

Ein weiterer Punkt, der für Kooperationen mit Forschungseinrichtung spricht: So erhöhen sich die Chancen, begehrte Fachkräfte für Unternehmen zu gewinnen – etwa im Rahmen einer betreuten Bachelor-, Masterarbeit. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, die betreffende Person über einen längeren Zeitraum hinweg kennenzulernen und um festzustellen, ob man längerfristig zusammenarbeiten möchte. In der Praxis hat sich jedenfalls gezeigt, dass viele Absolventen oftmals in ein Unternehmen gehen, mit dem sie bereits kooperiert haben.

Welche Gedanken sollten sich Unternehmen machen, bevor sie eine Forschungskooperation eingehen?

Als erstes ist zu klären, welche Ziele mit der Kooperation erreicht werden sollen. In diesem Kontext kommt schnell die Frage auf, wie ich ein solches Ziel überhaupt formuliere und wie ich die Zielerreichung überprüfe. Die Unternehmen sollten im Vorfeld für sich genau festlegen, mit welchen Ergebnissen man zufrieden wäre, wie der Idealfall, jedoch auch der Worst Case aussehen würde. Ich muss mir auch Gedanken darüber machen, was die Beendigung einer Kooperation rechtfertigt. Eine Kooperation zahlt sich für alle Beteiligten jedenfalls nur dann aus, wenn alle die gleichen Ziele verfolgen. Und da gibt es bei der Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen die ein oder andere Schwierigkeit. Das fängt schon beim unterschiedlichen Wording der Beteiligten an, was zu Missverständnissen führen kann – zum Beispiel die wissenschaftliche Sprache, Anglizismen oder Fachbegriffe.

Luise Götz, Technologietransfermanagerin der IHK Region Stuttgart, unterstützt neutral und kostenfrei kleine und mittelständische Unternehmen in ihren Innovationsvorhaben. Themenschwerpunkte ihrer Arbeit ist die Anbahnung von Forschungskooperationen, die Kontaktvermittlung geeigneter Partner, das Informieren und Sensibilisieren zu neuen Technologien oder Geschäftsmodellen. Zudem unterstützt sie in Fragestellungen zu Förderprogrammen und Schutzrechten. IHK Region Stuttgart

Die Unternehmen müssen zudem für sich klären, wie viel Zeit sie für die Kooperation aufbringen können und was am Schluss mit den Ergebnissen passieren soll. Es geht also um die Frage, wer was wie nutzen darf. Schutzrechte und Veröffentlichungen sind hier zwei große Themen. Das Forschungsinstitut hat aus Reputationsgründen ein Publikationsinteresse und möchte die Ergebnisse gerne veröffentlichen. Das Unternehmen hingegen möchte etwas Innovatives auf den Markt bringen und die Ergebnisse als Wettbewerbsvorteil nutzen. Es wird also die Ergebnisse beziehungsweise den Weg dorthin lieber für sich behalten. Last but not least muss vor einer Kooperation klar sein, wie man das Projektmanagement untereinander aufteilt.

Wie finden Unternehmen den passenden Forschungspartner?

Ein unerfahrenes Unternehmen steht bei der Suche nach einem passenden Partner vor großen Herausforderungen, denn es gibt zig Forschungseinrichtungen unterschiedlicher Art. Hier muss man schauen, was zum Vorhaben am besten passt. Also ob es besser ist, eine Kooperation mit einer Universität einzugehen oder doch lieber mit einer wirtschaftsnäheren Fachhochschule oder anderen Forschungseinrichtung den Kontakt zu suchen. Die Recherche wird als Laie schwierig sein – allein den richtigen Ansprechpartner ausfindig zu machen, ist häufig sehr zeitaufwendig. Und nicht jede Forschungseinrichtung ist bereit, mit Unternehmen eine Kooperation einzugehen. Daher mein Tipp: Unternehmen sollten die kostenlosen Beratungsangebote in ihrer Region nutzen, etwa die der IHKs. Dort finden die Unternehmen in der Regel Experten, mitunter Technologietransfermanager / Innovationberater, die mit ihrem Know-how und ihrem Netzwerk weiterhelfen können. Auch den Austausch mit anderen Unternehmerinnen und Unternehmern auf Netzwerk-Events und den Besuch von Veranstaltungen von Forschungseinrichtungen kann ich hier empfehlen.

Mit welchen Hürden und Stolpersteinen haben Unternehmen immer wieder zu kämpfen, wenn es um Kooperationen mit Forschungseinrichtungen geht?

Neben der bereits erwähnten „Sprachbarriere“ und unterschiedlichen Zielen führen nicht selten unterschiedliche Erwartungshaltungen zu Problemen. Was viele Unternehmen unterschätzen: Forschungseinrichtungen sind in anderen Handlungs- und Zeithorizonten unterwegs. Geht ein Institut eine Kooperation ein, muss es erst einmal einen Forschungsantrag stellen. Nur so erhält es dafür notwendiges Kapital und Personal. Das heißt, in der Regel können Unternehmen erst einmal nicht mit schnellen Ergebnissen rechnen. Geduld ist gefragt. Stolpersteine lauern vor allem auf sehr unerfahrene Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Sie neigen eher dazu, die Hürde für eine Zusammenarbeit viel zu hoch anzusetzen oder – das andere Extrem – stellen sich eine Kooperation viel zu leicht vor. Da braucht es anfangs viel „learning by doing“. Zudem müssen sich Unternehmen darüber im Klaren sein, dass Forschungseinrichtungen keine 100-prozentigen Dienstleister sind und die Apparaturen und Räumlichkeiten häufig nicht nur für ein Forschungsprojekt allein zur Verfügung stehen.

Welche Arten von Forschungskooperationen gibt es?

Es gibt Einzel- und Netzwerkkooperationsprojekte. Zudem gibt es Partnerschaften, welche in unterschiedlichen Konstellationen existieren können, in den Rollen Auftraggeber und Auftragnehmer bis hin zum anderen Extrem der gleichwertigen Partner. Hieraus entstehen auch unterschiedliche Varianten der Nutzung der Ergebnisse. Dies ist im Vorfeld abzuklären, was genau mit den Ergebnissen passiert.

Inwieweit können Unternehmen für Forschungskooperationen Fördermittel beantragt werden?

Im Grunde gibt es für solche Vorhaben auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene eine Unmenge an Fördermitteln in Form von Zuschüssen und zinsgünstigen Darlehen. Einige sind themenoffen gestaltet, viele inzwischen auch sehr spezifisch. Gerade in Transformationsprojekten, zum Beispiel in den Bereichen Greentech oder Digitalisierung, steckt sehr viel Bewegung. Die Technologietransfermanager in Baden-Württemberg haben einen leicht zu bedienenden Online-Fördermittel-Check entwickelt, der hier schnell für Klarheit sorgt. Empfehlen kann ich auch die Förderdatenbank des Bundes.

Welche abschließenden Tipps können Sie Unternehmen noch mit auf den Weg geben?

Unternehmen sollen auf jeden Fall die öffentlichen, neutralen und kostenfreien Unterstützungsangebote in Deutschland nutzen. Ich empfehle, nicht nur eins, sondern mehrere Angebote in Anspruch zu nehmen. Es kann auch nicht schaden, zu schauen, mit wem andere Unternehmen kooperieren. Meine abschließenden Tipps: Fangen Sie mit einem kleinen Projekt an, um erst einmal ein Gefühl für eine Forschungskooperation zu entwickeln – und um Vertrauen aufzubauen. Und wer kostenlose Vertragsvorlagen für solche Kooperationen für den Anfang sucht, findet diese auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums des Bundes oder des Landes.

www.ihk.de/stuttgart

Weiterführende Links

Vertragsmustervorlagen für Forschungskooperationen: dn.rpv.media/5l3

Zum „kleinen“ Fördermittelcheck: dn.rpv.media/5l4

Zur Förderdatenbank: dn.rpv.media/1tf

Zum Technologietransfermanager Baden-Württemberg (TTM-BW): dn.rpv.media/5l5