„Jeder Kilometer zählt“
Christina Diem-Puello, Geschäftsführerin von Deutsche Dienstrad, einer Ausgründung des Fahrradherstellers und Familienunternehmens Pexco, startete mitten in der Corona-Pandemie als eigenständiger Leasing-Dienstleister durch. Die Redaktion sprach mit ihr über das Thema Nachhaltigkeit.

Das Thema Nachhaltigkeit hält immer stärker Einzug in Unternehmen. Was verbinden Sie persönlich mit dem Begriff?
Als jemand, der aus einer Unternehmerfamilie stammt, ist das Thema für mich sehr vielschichtig – gerade in den Bereichen Unternehmensführung und -weiterentwicklung. Mein Mann und ich sind in unserer Familie bereits die vierte Generation im Unternehmertum. Mein Ururgroßvater startete mit einem kleinen Fahrradladen in Schweinfurt, den mein Opa nach und nach in eine Produktion umbaute. Das war die Geburtsstunde der Marken Winora, Haibike und Staiger. In der Spitze arbeiteten bis zu 500 Menschen bei uns. Meine Mutter wiederum führte das Familienunternehmen über 36 Jahre weiter und sorgte für ein kräftiges Wachstum. Ich habe dann als Vertreterin der vierten Generation mit Deutsche Dienstrad das Thema mit innovativen Services angereichert. Uns geht es im Kontext Nachhaltigkeit nicht nur darum, das Familienunternehmen über Generationen hinweg zu erhalten, sondern auch unsere Mitarbeiter langfristig zu binden. Deshalb stellen wir den Menschen als unseren Wegbegleiter in den Fokus unseres Handelns. Und natürlich leben wir das Thema Nachhaltigkeit tagtäglich auch in Bezug auf den Umweltaspekt, denn es gibt – jetzt klammern wir einmal das E-Bike aus – kein nachhaltigeres Fortbewegungsmittel als das Fahrrad.
Wie spiegelt sich dieser Nachhaltigkeitsgedanke speziell bei Deutsche Dienstrad wider? Was ist das Besondere an dem jungen Unternehmen?
Um möglichst nachhaltig zu sein, haben wir alles das, was digitalisiert werden kann, auch digitalisiert. Das gilt nicht nur für das Frontend, sondern auch für das gesamte Backend. Wir haben komplett papierlose Prozesse. Zudem verfügen wir über eine eigene Dienstrad-Flotte für unsere Mitarbeitenden. Unsere komplette PKW-Flotte besteht darüber hinaus ausschließlich aus E- und Hybridfahrzeugen. Der ganze Strom, den wir für unsere IT, die E-Bikes und die PKW benötigen, kommt übrigens von unseren eigenen Solarpanels auf dem Dach. Uns liegt zudem das Thema soziale Arbeit besonders am Herzen. Daher arbeiten bei uns immer wieder Lebenshilfe-Mitarbeitende, die Schwierigkeiten haben, in unserer Gesellschaft Fuß zu fassen.

Unseren Nachhaltigkeitsgedanken tragen wir natürlich auch nach außen: Für unsere Kunden, die Arbeitgeber, haben wir zum Beispiel einen CO2-Reduktionskalkulator programmiert. Das inzwischen zertifizierte Produkt zeigt genau an, wie viel Tonnen an CO2 im Jahr eingespart werden kann, wenn die Mitarbeitenden statt des Autos für manche Strecken ein Fahrrad nutzen. Und da kommt bei Unternehmen mit großen Belegschaften einiges zusammen. Unter dem Motto „Jeder Kilometer zählt“ animieren wir unsere Kunden immer wieder, nachhaltiger zu werden – haben beispielsweise auch spezielle Aktionen mit den Kunden initiiert. Erst neulich gab es wieder eine Baumpflanzaktion, bei der für eine bestimmte Anzahl an mit dem Fahrrad zurückgelegten Kilometern jeweils ein kleiner Baum gesetzt wurde.
Das Besondere an Deutsche Dienstrad ist, dass Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Händler auf einem Marktplatz zusammenführt werden. Es ist ein Win-win-Modell für alle Beteiligten. Der Mitarbeitende etwa erhält dadurch 40 Prozent Steuervorteil gegenüber einem Direktkauf, da das Dienstrad durch die Bundesregierung gefördert wird. Gleichzeitig bekommt dieser eine Vollkasko-Versicherung, eine Mobilitätsgarantie sowie eine kostenlose Wartung im Jahr. Der Arbeitgeber kommt wiederum in den Genuss eines Rundum-Sorglos-Pakets. Das heißt, in unserem Leasingmodell ist das Unternehmen vollständig risikobefreit, denn wir garantieren unter anderem eine Rücknahme-Garantie bei allen Störfallthemen. Dafür stehen wir mit unserem Garantieversprechen. Was uns von Mitwerbern unterscheidet, ist, dass wir das einzige Familienunternehmen in diesem Segment sind und keine Shareholder mit an Bord haben. Zudem hat jeder Kunde bei uns seinen eigenen Ansprechpartner.
Inwieweit bemerken Sie einen „Nachhaltigkeit-Aufbruch“ bei Ihren Kunden?
Hätten Sie mir diese Frage vor zwei Jahren gestellt, hätte ich gesagt „Naja, das Thema nimmt langsam an Fahrt auf“. Was wir allerdings derzeit erleben, ist unglaublich. Das Thema ist plötzlich allumfassend – die Unternehmen rennen uns die Bude ein. Das gilt für Konzerne und mittelständische Betriebe gleichermaßen. Sämtliche anderen Themen werden hinten angestellt – aber die Nachhaltigkeit, besonders die Emissionsreduktion, wird von Arbeitgebern gerade mit voller Kraft vorangetrieben. Ich erlebe, wie plötzlich von vielen Unternehmen versucht wird, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um sich nicht nur enkelfähig aufzustellen, sondern den kommenden Generationen einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen.
Wie sehen die Nachhaltigkeitsziele für die kommenden Jahre aus?
Unsere Vision und Mission ist es, so viele Unternehmen wie möglich mit Diensträdern auszustatten beziehungsweise jeden Arbeitnehmer einen erschwinglichen Zugang zu einem Fahrrad zu ermöglichen. Wir wollen ihnen ein nachhaltiges Konstrukt an die Hand geben und sie dabei unterstützen, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Ein weiteres Ziel ist es, ein Familienunternehmen zu bleiben, um weiterhin mit Bedacht wachsen zu können. Ein Verkauf des Unternehmens ist für uns daher undenkbar – Kooperationen oder Joint Ventures hingegen schon.
Welche konkreten Stellenschrauben müssten Ihrer Ansicht nach auf politischer Ebene angepackt werden, damit wir in Deutschland wirklich von einer nachhaltigen Mobilitäts-/Verkehrswende sprechen können?
Das A und O ist ein vernünftiger Umbau der Infrastruktur, der von der kommenden Bundesregierung jetzt massiv vorangetrieben werden muss. Im Bezug auf das Fahrrad heißt das: Wir brauchen mehr Fahrradstraßen und -wege. Das ist eine riesige Herausforderung, denn die Belange von Autofahrern und Fußgängern müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Zudem appelliere ich an die Politik, das Dienstrad-Modell dauerhaft zu etablieren und nicht wie geplant lediglich bis 2030 zu ermöglichen. Das wäre ein starkes politisches Bekenntnis zur nachhaltigen Mobilität. Neben der langfristigen Etablierung sollte auch über weitere Anreize diskutiert werden, um die Mobilitätswende weiter voranzutreiben. Das könnte beispielsweise die Senkung oder Abschaffung des geldwerten Vorteils sein, aber auch flächendeckende Subventionen für Unternehmen, die Mitarbeitenden Ladestationen und Fahrradabstellmöglichkeiten zur Verfügung stellen.