Kein Nischenthema mehr
Die Frage, wie wir nachhaltiger wirtschaften, beschäftigt uns mehr denn je. Allerdings ist dieses Thema nicht neu. Damit befasste sich die so genannte Brundtland-Kommission bereits 1987 und entwickelte die Basis für das heutige Verständnis von nachhaltiger Entwicklung.

Im Jahr 1992 hat sich die internationale Staatengemeinschaft in Rio de Janeiro auf das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung verständigt und den Willen zum Ausdruck gebracht, mit den Ressourcen der Erde aus Rücksicht auf nachfolgende Generationen verantwortungsvoll umzugehen. Darauf folgten nationale Nachhaltigkeitsstrategien. In Deutschland wurde 2002 ein entsprechendes Konzept verabschiedet. In der Wirtschaft wurde der Begriff „Corporate Social Responsibility“ geprägt, der die soziale Verantwortung von Unternehmen gegenüber ihren Anspruchsgruppen und damit auch der Umwelt bezeichnet.
Nicht zuletzt aufgrund gesellschaftlicher Bewegungen wie „Fridays for Future“ sowie Social Media und der damit einhergehenden Transparenz ist das Thema Nachhaltigkeit wieder verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gelangt – und das ist auch gut so. Allerdings wird nachhaltige Entwicklung häufig mit Umweltschutz gleichgesetzt. Neben der ökologischen Komponente sind jedoch auch die soziale und die ökonomische Sphäre von zentraler Bedeutung in der Diskussion über Nachhaltigkeit. So müssen ebenso gesellschaftliche Aspekte sowie die Art der Unternehmensführung unter dem Begriff der Nachhaltigkeit diskutiert werden.
Nachhaltige Investments gefragt
Auch in der Finanzbranche ist Nachhaltigkeit längst kein Nischenthema mehr. Bei deutschen Sparern werden Geldanlagen, die neben klassischen Kriterien, wie beispielsweise Sicherheit und Rendite auch ökologische und soziale Aspekte sowie gute Unternehmensführung berücksichtigen, immer beliebter. Ausschlaggebend für die gestiegene Attraktivität von nachhaltigen Investments ist unter anderem auch das veränderte Konsumverhalten der Menschen mit bewusster Produktauswahl – regionale Produkte beispielsweise erfreuen sich zunehmender Beliebtheit; Plastikmüll wird an vielen Stellen bereits vermieden. Dass das Thema Nachhaltigkeit mittlerweile auch unter deutschen Privatanlegern einen hohen Stellenwert genießt, zeigen die Ergebnisse des Anlegerbarometers von Union Investment: So hält knapp jeder zweite Befragte diese Anlageform für attraktiv. Für 40 Prozent der Sparer kommt entsprechend eine Anlage in nachhaltige Investments ganz sicher oder wahrscheinlich in Frage. Bemerkenswert ist, dass ökologische oder soziale Gesichtspunkte für viele Anleger mindestens genauso wichtig sind wie der Gewinn. 85 Prozent der Befragten wären bereit, zugunsten der Nachhaltigkeit auf Gewinn zu verzichten. Vor zehn Jahren konnten sich das lediglich 63 Prozent vorstellen. Alleine diese Zahlen zeigen, dass Nachhaltigkeit keine Modeerscheinung mehr ist. Besonders interessant ist, dass die Bedeutung von ökologischen Aspekten an Bedeutung gewonnen hat. Nahezu die Hälfte aller Befragten (46 Prozent), die ihr Vermögen nachhaltig investieren möchten, halten ökologische Gesichtspunkte im Vergleich zu sozialen (49 Prozent) für wichtiger – im Jahr 2013 waren es neun Prozentpunkte weniger.
Im Wertesystem stärker verankert
Auch institutionelle Anleger berücksichtigen Nachhaltigkeitskriterien bei der Kapitalanlage, wie die Nachhaltigkeitsstudie von Union Investment aus dem Jahr 2019 zeigt. Mit einem Anstieg um sieben Prozentpunkte erreicht die Zahl nachhaltig anlegender Investoren mit 72 Prozent einen neuen Rekordstand. Hervorzuheben ist, dass sich die Zufriedenheit mit nachhaltigen Investments ebenfalls auf einem Höchststand bewegt: So sind Großanleger sehr zufrieden oder sogar außerordentlich zufrieden. Infolgedessen können sich 89 Prozent von ihnen nicht vorstellen, aus nachhaltigen Kapitalanlagen auszusteigen. Schaut man sich die Motivation für nachhaltiges Investieren an, zeigt sich, dass die Werte des eigenen Unternehmens als Hauptantrieb angeführt werden. Dies zeigt wiederum, dass Nachhaltigkeit im Wertesystem der Unternehmen derart stark verankert ist, dass die Anlagestrategie in einem solch hohen Maß davon beeinflusst wird. Ausschlaggebender Impuls für nachhaltige Investments sind nach Ansicht von 73 Prozent der Befragten sich verändernde regulatorische Anforderungen.
Finanzmarkt kommt Schlüsselrolle zu
Die EU-Kommission beziffert den jährlichen zusätzlichen Investitionsbedarf, um die EU-Klima- und Energieziele bis 2030 zu erreichen, auf 180 Milliarden Euro. Um diese Investitionen zu bewältigen, ist das Ziel der EU-Kommission eine stärker auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Finanzwirtschaft. Dem Finanzmarkt wird somit eine Schlüsselrolle bei der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung zugeschrieben. So soll der Kapitalmarkt eine nachhaltige Realwirtschaft ermöglichen. Die EU-Kommission arbeitet mit Hochdruck an konkreten Maßnahmen zur Umsetzung ihres 2018 veröffentlichten Aktionsplans „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“. Auch die Bundesregierung möchte die nachhaltige Finanzwirtschaft stärken. Angesichts unserer mittelständisch geprägten Wirtschaft in Deutschland bedarf es einer klugen Strategie, die die Balance zwischen industrieller Wertschöpfung und mehr Nachhaltigkeit hält.
Politik muss Engagement stärker berücksichtigen
Zunächst ist ein gemeinsames Grundverständnis notwendig, wie Nachhaltigkeit zu definieren ist, in Form einer Taxonomie für nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeiten. Nur so kann der von der Politik angestrebte Übergang der Realwirtschaft – unter Einbindung der Finanzwirtschaft – zu mehr Nachhaltigkeit gelingen. Darüber hinaus ist unerlässlich, die Realwirtschaft als Hauptadressaten der von der Politik eingeleiteten Maßnahmen einzubinden. Letztlich sind es die realwirtschaftlichen Unternehmen, die der Finanzwirtschaft die relevanten Informationen über die Einhaltung der Nachhaltigkeitsanforderungen eines Investitionsvorhabens beziehungsweise des gesamten Unternehmens bereitstellen. In der Realwirtschaft ebenso wie in der Finanzwirtschaft sind verlässliche und dauerhafte Rahmenbedingungen eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg ihrer Geschäftstätigkeit. In den vergangenen Jahren wurden am deutschen Finanzmarkt so genannte grüne Finanzprodukte auf Basis von freiwilligen Marktstandards entwickelt. Diese freiwilligen Marktstandards sollten von politischen Akteuren bei ihren gesetzgeberischen Plänen berücksichtigt werden. Die genossenschaftliche Finanz-Gruppe ist bereits gut aufgestellt. Union Investment ist Marktführer für nachhaltige Kapitalanlagen mit rund 48 Milliarden Euro und die DZ Bank engagiert sich bei grünen Anleihen. Ende April hat das genossenschaftliche Spitzeninstitut darüber hinaus die Principles for Responsible Banking der Vereinten Nationen unterzeichnet. Mit dem Bekenntnis zu dieser freiwilligen Initiative verpflichtet sich die DZ Bank zu mehr Nachhaltigkeit und Transparenz. Und auch die Volks- und Raiffeisenbanken vor Ort unterstützen nachhaltige Projekte im Kreditgeschäft, um beispielsweise die Energiewende voranzubringen. Nachhaltigkeit gehört ohnehin zum Markenkern der Genossenschaftsbanken – sie sind regional verwurzelt, handeln langfristig orientiert und haben die Förderung ihrer Mitglieder zum Ziel. Daher engagieren sie sich auch gesellschaftlich, etwa mit Spenden an soziale Einrichtungen und Vereine vor Ort. Das Engagement geht oft noch weiter: Viele der Institute unterstützen das Ehrenamt ihrer Mitarbeiter. Damit leisten die Genossenschaftsbanken einen wichtigen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt. Auch das entspricht dem genossenschaftlichen Verständnis von Nachhaltigkeit.