Blickpunkt
Die News Dezember 2021

Lieferfähig bleiben

„Cash is King“ nicht immer zielführend

Die Verwerfung in den Lieferketten sowie dadurch bedingte extreme Preissteigerungen stellen Familienunternehmen vor große Herausforderungen. Im Interview erzählt Moritz Keding, Senior Projektleiter bei Weissman & Cie., welche Handlungsoptionen die Unternehmen prüfen sollten.

Hendrik Fuchs
Lesezeit: ca. 3 Minuten
Champiofoto / Shutterstock.com

Mit welchen Herausforderungen sehen sich gerade viele Ihrer Kunden im Bereich Supply Chain/Lieferkette konfrontiert?

Branchenübergreifend kommt es derzeit trotz konkreter Abnahmezusagen und -verpflichtungen zu teils bedrohlichen Lieferengpässen. Dies betrifft in meinem Kundenkreis Unternehmen aller Branchen gleichermaßen. Die geringen Verfügbarkeiten führen zu massiven Preissteigerungen. Ein Automobilzulieferer mit eigenem Werkzeugbau berichtete mir kürzlich von fehlenden Rohstoffen und einem Anstieg der Materialaufwandsquote von normalerweise 27 auf 39 Prozent. Diese Preissteigerungen können wiederum nicht beziehungsweise nur anteilig an Kunden weitergegeben werden und schlagen sich somit unmittelbar im Ergebnis nieder. Einer der größten deutschen Fachhändler von Baustoffen erzählte mir, dass er Vorlieferanten auf fixierte Lieferverpflichtungen und entsprechende Preise hingewiesen habe. Es wurde ihm direkt geantwortet, dass man darum wisse, aber auch das Einleiten juristischer Maßnahmen nichts an den steigenden Preisen trotz Lieferzuzusagen ändern werde – entgegen der vereinbarten Preise und reduzierten Liefermengen.

Welche Sofortmaßnahmen empfehlen Sie Ihren Kunden in der aktuellen Krise?

Entgegen den sonst üblichen Maßnahmen zur Working Capital-Optimierung, etwa dem Abbau von Forderungen, der Optimierung der eigenen Zahlungsmodalitäten, also der Verbindlichkeiten und vor allem dem Abbau von Vorräten, das heißt der Reduzierung des Lagerbestands auf ein erforderliches Minimum, gilt es nun, vor allem lieferfähig zu bleiben. Normalerweise sagen wir „Cash is King“, allerdings erfordert die Lieferketten-Problematik ab und an ein anderes Agieren. Das heißt, wenn es beispielsweise absehbar ist, dass die Preise in einem bestimmten Segment weiter steigen, alles zu versuchen, die Lager entsprechend zu füllen. Das ist immer eine unternehmerische Abwägung, eine Gratwanderung zwischen Kapitalbindung und Liquiditätssicherung. Aktuell haben die Unternehmen die Nase vorn, die auf ausreichend Warenbestände zurückgreifen können, die noch zu ursprünglichen Preisen beschafft werden konnten. Dies befreit jedoch nicht vor den laufenden Aufgaben der Lageroptimierung – also zum Beispiel die Analyse von Langsam- und Schnelldrehern oder der Optimierung der Lagerplatzverwaltung.

Moritz Keding ist Senior Projektleiter bei Weissman & Cie. Weissman & Cie.

Was können Familienunternehmen generell tun, um solche Lieferengpässe künftig zu vermeiden beziehungsweise zumindest ein Stück weit abzumildern? Denn eines ist sicher: Die nächste große Krise kommt bestimmt.

Zunächst einmal dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass die reduzierten Warenlieferungen und Preissteigerungen einzelner Lieferanten oftmals nicht auf Willkür zurückzuführen sind, sondern dass auch diese häufig mit Lieferproblemen zu kämpfen haben. Im asiatischen Raum gab es teilweise harte Lockdowns, als wir – zwischen den Corona-Wellen – bereits ein relativ „normales“ Leben geführt haben. Das ist vielfach gar nicht bekannt. Verschärft wurde dies durch die Blockade des Suezkanals und diverser internationaler Handelsstreitigkeiten. In Folge der Corona-Krise können Containerschiffe noch immer nicht schnell genug gelöscht werden. Nehmen wir beispielsweise die massiven Preissteigerungen im Holzbereich in Folge zunehmender Exporte in die USA und nach China.

Weissman & Cie.

Künftig gilt es, sich unabhängiger von einzelnen Lieferanten zu machen, um deren Einfluss auf das eigene Unternehmen nicht zu groß werden zu lassen. Daher mein Tipp an alle Unternehmen: Bauen Sie sich ein Netzwerk aus zuverlässigen Lieferanten auf und priorisieren Sie in A-, B- und C-Lieferanten. Mit Sicherheit wird der ein oder andere Unternehmer nicht vergessen, wie – im Positiven wie Negativen – die Lieferanten mit dieser Krisensituation umgegangen sind. Und natürlich machen sich viele Unternehmen auch Gedanken darüber, einen Teil ihrer ausgelagerten Produktion nach Europa zurückzuholen.

Wie sollten die Unternehmen bei der Umsetzung entsprechender Maßnahmen vorgehen? Wo lauern Fallstricke?

Auch wenn die aktuelle Situation rund um Lieferketten sehr beunruhigend ist, sollten Unternehmen vor allem besonnen reagieren. Hilfreich ist generell ein Höchstmaß an Transparenz durch funktionierende Controllingstrukturen und -prozesse, denn damit hat man vieles frühzeitig im Blick, sollte sich die nächste Krise anbahnen. Die Aufgaben sind zudem unternehmensintern interdisziplinär zu leisten, das heißt, eine abgestimmte Zusammenarbeit von Vertrieb, Einkauf, Lager und dem kaufmännischen Bereich ist unabdingbar. Und last but noch least spielt die frühzeitige Kommunikation eine Schlüsselrolle, sowohl im Unternehmen, aber auch gegenüber Banken, Lieferanten und Kunden.

www.weissman.de

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