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Die News Juni 2022

„Machen ist wie Wollen – nur krasser“

Rückblick vom Familien-Unternehmertag in Nürnberg

Familienunternehmen stehen vor riesigen Herausforderungen, wenn es darum geht, ihre Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen. Es braucht viel Mut, Leidenschaft, Veränderungswille, aber auch viel Konsequenz. Das wurde auch auf dem Familien-Unternehmertag des Weissman-Instituts Anfang Mai wieder mehr als deutlich.

Hendrik Fuchs
Lesezeit: ca. 7 Minuten
Boris Stöbe

Über 100 Familienunternehmer und Familienunternehmer kamen zum Familien-Unternehmertag.

„Vergangener Erfolg ist kein Garant für künftigen Erfolg“ – ein Satz, der in unterschiedlichen Varianten auf dem Familien-Unternehmertag häufiger zu hören war. Auch von Dr. Anna Weber, die zusammen mit ihrem Bruder das Franchise-Unternehmen Babyone in zweiter Generation führt. Sie gab den Teilnehmern des Unternehmertags einen sehr inspirierenden Einblick in den Nachfolgeprozess beim Omnichannel-Händler für Baby- und Kleinkindartikel und präsentierte ihre persönlichen Learnings. Dazu zählt etwa, dass beide Nachfolger innerhalb eines Jahres aus dem Unternehmen straffrei hätten wieder aussteigen können. „Das hat uns die Freiheit gegeben, alle Bereiche erst einmal ganz in Ruhe anzuschauen“, unterstrich Weber. Darüber hinaus hob sie hervor, wie wichtig ein klar formulierter Nachfolge-Fahrplan für alle Beteiligte war, der konkret definiert hat, wer welche Rollen wann übernimmt. Begleitet wurde das Ganze durch einen systemischen Coach.

Bürowände eingerissen

Im Nachfolgeplan wurde auch das Enddatum festgelegt, an dem die Eltern aus dem Unternehmen ausscheiden und die komplette Verantwortung auf die nachfolgende Generation übergeht. „Bereits zwei Monate vor diesem Datum kam der Möbelwagen und hat das Mobiliar aus den Büros unserer Eltern mitgenommen und in andere angemietete Räumlichkeiten in der Stadt gebracht“, erzählte Weber und ergänzte: „Wir haben anschließend die Wände der Büros eingerissen und alles nach unseren Vorstellungen eingerichtet.“ Eine ähnliche Konsequenz legten die beiden an den Tag, als es um die Transformation des gesamten Unternehmens ging. „Die Werte bleiben, aber die Kultur ändert sich. Nur so sind wir in der Lage, unseren eigenen Weg zu machen“, unterstrich Weber. „Das erforderte eine radikale Gestaltungsfreiheit, die es auch erlaubt, auch einmal auf die Nase zu fallen, dann aber auch wieder aufzustehen.“ Im Unternehmen ist die Duz-Kultur ein Muss, gibt es laut Weber keine versteckten Hierarchien. Und in Zukunft soll auch das Arbeiten mit einem möglichst hohen Freiheitsgrad möglich sein, jede und jeder selbst entscheiden, wann und wie viel Urlaub man braucht. „Ich weiß, das sind teils sehr radikale Ideen, für die im deutschen Arbeitsrecht der ein oder andere Fallstrick lauert. Aber uns ist es einfach wichtig, etwas zu machen. Machen ist wie Wollen – nur krasser“, betonte die Unternehmerin.

Dr. Anna Weber, geschäftsführende Gesellschafterin der Baby- und Kinderfachmarktkette Baby One, bot in Sachen Nachfolge und Unternehmenskultur einen sehr inspirierenden Vortrag. Hendrik Fuchs

Anna Weber und ihr Bruder haben anhand eines neu entwickelten Leitbildes auch sonst einen sehr tiefgreifenden Transformationsprozess initiiert, der das Onlinegeschäft und den stationären Handel stärken soll – oft ein Weg durch ein „Tal der Tränen“, den nicht alle Mitarbeitenden in dieser Konsequenz mitgehen wollten. „Obwohl wir sehr viel Wert auf Transparenz und Kommunikation gelegt haben, konnten wir nicht jeden überzeugen“, bedauerte Weber. So blieben auch Kündigungen nicht aus.

Unternehmer mit „gespaltener“ Persönlichkeit

Nicht weniger beeindruckt zeigten sich die anwesenden Gäste vom Vortrag des Unternehmers und Fußballfunktionärs Claus Vogt. Seit Dezember 2019 ist Vogt Präsident des VfB Stuttgart und gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der gleichnamigen Aktiengesellschaft. Zwei Jahre vorher gründete Vogt zudem den „FC PlayFair!“, einen Verein für Integrität im Profifußball. Unternehmerisch tätig wurde er 2010 mit der Gründung des Facility-Management-Unternehmens Intesia. Zwei Fragen schienen den Teilnehmern des Unternehmertags nach kurzer Zeit ins Gesicht geschrieben: Wie bekommt man das zeitlich alles unter einen Hut? Und: Warum tut man sich das an? Der Unternehmer machte deutlich, dass es ihm ein Herzensanliegen ist, als Vorbild voranzugehen, Dinge anzupacken, ein Bessermacher statt ein Besserwisser zu sein, auch wenn es zeitlich häufig oft grenzwertig zugehe. Als leidenschaftlicher Fußballfan möchte er beispielsweise mit „FC PlayFair!“ unter anderem einen Beitrag dazu leisten, dass Fußball seine wichtige, positive Wirkung in der Gesellschaft behält – und ins Bewusstsein rufen, dass es im Profisport nicht immer nur darum gehen kann, „in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Geld zu verdienen“. Mit Blick auf den VfB, der zum Zeitpunkt des Vortrags um seinen Verbleib in der 1. Liga kämpfte, und hinsichtlich seiner Doppelfunktion im Verein, sei es ihm wichtig, die Menschen mitzunehmen und möglichst transparent zu agieren.

Hendrik Fuchs

Risikofaktor Mensch

Cyber-Security- und Industriespionage-Spezialist Frank von Stetten sorgte mit seinem Live-Hacking-Vortrag an Tag zwei für deutliches Unbehagen unter den Teilnehmern. Vor allem als er aufzeigte, wie professionelle Angriffe per APT-Ransomware ablaufen, wie perfide Kriminelle dabei vorgehen und welche Schäden diese anrichten können, wurde es im Saal merklich still. Die Gründe, warum es den Angreifern gelingt, in die Systeme der Unternehmen einzudringen, sind vielseitig. „Es gibt eben Mitarbeitende jenseits von Gut und Böse, die selbst dann nicht misstrauisch werden, wenn der Virenscanner Alarm schlägt“, sagte der Experte. Und nicht selten seien es die IT-Administratoren selbst, die die einfachsten Regeln vernachlässigen, etwa wenn es um das regelmäßige Einspielen von sogenannten Patches geht, die die Softwarehersteller zur Verfügung stellen, um Sicherheitslücken in ihren Systemen zu schließen. Das Gleiche gelte für die Verwendung sicherer Passwörter. Deshalb der Rat des Experten: „Sensibilisieren und schulen Sie nicht nur Ihre normalen Mitarbeitenden, sondern auch die Admins.“

Hendrik Fuchs

Von Stetten machte auch deutlich, dass es eine 100-prozentige Sicherheit nicht gibt; dass richtige Profis eigentlich immer auf die Systeme Zugriff bekommen. Daher sei es entscheidend, die Angriffe so früh wie nur möglich zu erkennen und die Kriminellen aus den Systemen wieder hinauszuwerfen. „Sehr problematisch kann es werden, wenn Angriffe erst nach vier bis sechs Wochen entdeckt werden“, so der Experte. Hilfreich sei hier vor allem eine spezielle Software, die im Gegensatz zu einem Antiviren-Programm Anomalien in einem System in Echtzeit erkenne und Alarm schlage (Endpoint Detection and Response). Um die Hürden für einen Angriff möglichst hoch zu halten, gab er den Teilnehmern noch eine ganze Reihe Tipps mit auf den Weg: Angefangen beim Trennen von Produktions- und Office-Netzwerken, bis hin zu einer Mehrfaktor-Authentifizierung und das Aufstellen klarer Verhaltensrichtlinien. „Zudem sollte sich jedes Unternehmen auf einen Angriff vorbereiten. Dazu gehören Offline-Backups genauso wie Notfallpläne und Richtlinien für die Notfall-Kommunikation mit Kunden und Presse. Ist ein Angriff erfolgt, sollten umgehend Sofortmaßnahmen durch geschultes Personal und eine Kontaktaufnahme zu sogenannten Incident-Response-Spezialisten erfolgen“, so von Stetten abschließend.

Willkommen im New Work

In eine ganz andere, aber nicht weniger spannende Richtung ging der Vortrag von Daniel Butz, Inhaber von Object Carpet: „Viele reden von New Work und wir haben dafür mit unserem Object Campus die Voraussetzungen dafür geschaffen.“ Der Hersteller hochwertiger Teppichböden hat mit seiner neuen Firmenzentrale in Denkendorf bei Stuttgart in der Tat Maßstäbe in Sachen New Work gesetzt, wie die beeindruckenden Bilder zeigten. „Der Object Campus ist ein Ort der Begegnung, an dem sich Mitarbeitende, Experten und andere Firmen austauschen können, wo Wissen geteilt und vermittelt wird“, so der Unternehmer und ergänzte: „Wir leben hier das Open-Door-Prinzip.“ Zum Gebäude gehören Showroom, Akademie, flexible Working- und Meeting-Places, Rückzugsbereiche sowie ein Restaurant mit integriertem Co-Working-Café. Klassische Einzelbüros und Besprechungsräume wurden auf ein Minium reduziert. Ein Teil des Campus ist an andere Firmen vermietet. Viele große Grünpflanzen säumen die Flure und die Alkoven-Sofas bieten dort Gelegenheit zum Gespräch oder zur kurzen Auszeit. „Jeder Mitarbeitende kann frei wählen, wo er im Gebäude arbeitet – hat dafür von uns die notwendigen Tools bekommen.“ Der Unternehmer machte aber deutlich, dass das Ganze kein Selbstläufer war, viel Planungszeit in Anspruch genommen hat und kommunikativ begleitet werden muss. „Uns war wichtig, dass wir einen Platz schaffen, an dem sich jeder möglichst lange und gerne aufhält. Daher wurde alle Mitarbeitenden mit eingebunden und ein ganzheitliches Konzept für das gesamte Gebäude entwickelt“, so Butz.

Hendrik Fuchs

Transparenz für bessere Entscheidungen

Frank Skrzypczyk, Gründer des IT-Beratungsunternehmens Improdo, zeigte in seinem Vortrag auf, wie wichtig es ist, Wissen in einem Unternehmen zu teilen und das lebenslange Lernen zu fördern. „Wir müssen neueste Technologien und Software nutzen, um Daten so aufzubereiten, damit sie auch ohne größeren Zeitaufwand verwendet werden können“, unterstrich der Jungunternehmer und verwies darauf, dass sich das weltweit erzeugte Datenvolumen alle vier Jahre verdoppelt. Ziel müsse es sein, eine höhere Transparenz für bessere Entscheidungen zu erreichen, in dem man auch alle Mitarbeitenden einbezieht und voneinander lernt. Skrzypczyk stellte in diesem Kontext neben seinem Barometer für Mitarbeiterbefragungen auch das Pareto-Prinzip vor, das besagt, dass sich viele Aufgaben – auch im Bereich Lernen – mit einem Mitteleinsatz von rund 20 Prozent erledigen lassen, sodass 80 Prozent aller Probleme gelöst werden.

www.weissman.de

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