Mehr geben als nehmen
Bewerber legen verstärkt Wert darauf, dass sich ein Unternehmen seiner nachhaltigen Verantwortung bewusst ist und entsprechend handelt. Zudem spielt das Sinnstiften bei der Jobauswahl eine immer größere Rolle. Die Plattform Good Jobs bringt solche Bewerber mit entsprechenden Unternehmen zusammen. Wir sprachen darüber mit Mitgründer und Geschäftsführer Paul Berg.

Was macht für Sie ein wirklich nachhaltiger Job mit Sinn aus?
Ein wirklich nachhaltiger Job gibt der Welt mehr, als er ihr nimmt. Er sorgt dafür, dass es uns als Gesellschaft langfristig gut geht, ohne das Individuum dabei zu verschleißen. Deshalb gehören dazu nicht nur Jobs in klassisch nachhaltigen Bereichen wie dem Umweltschutz. Heutzutage gibt es für jeden Bereich in der alten Welt ein nachhaltiges Pendant. Egal ob es um die Landwirtschaft, Industrie oder den Dienstleistungssektor geht. Ja, es gibt sogar Impact-getriebene Investmentbankerinnen und Investmentbanker.
Viel wichtiger als sich ein grünes Thema auf die Fahnen zu schreiben, ist dabei die Codierung des jeweiligen Unternehmens. Ein Beispiel: Beim Thema Infrastruktur oder Straßenbau denken die meisten Menschen nicht an Nachhaltigkeit. Vielleicht identifizieren sich die jeweiligen Mitarbeitenden gar nicht stark mit diesem Thema. Trotzdem sind diese davon überzeugt, dass ihre Arbeit wichtig ist. Und das ist sie auch. Keine NGO dieser Welt würde helfen können, ohne dabei Straßen, Brücken oder Flughäfen zu nutzen. Nur gibt es Baufirmen, die nur die billigsten Rohstoffe beziehen, ohne ihre Lieferketten zu prüfen, ihre Mitarbeitenden unter dem Mindestlohn bezahlen und nur auf Renditemaximierung programmiert sind. Wenn auf diese Faktoren jedoch Wert gelegt wird, dann kann so ein Unternehmen wirklich nachhaltige Jobs anbieten.
Wie haben sich die Besucherzahlen in den vergangenen Jahren bei Good Jobs entwickelt?
Unsere Userzahlen verdoppeln sich jährlich. Aktuell suchen mehr als zwei Millionen Menschen im Jahr bei uns nach nachhaltigen Jobs und Organisationen. Nachhaltigkeit ist ein Megatrend, genauso wie die Digitalisierung. Katalysiert wird so ein Wachstum natürlich auch von Bewegungen wie Fridays for Future – wer da mitläuft, sucht sich keinen Job bei Nike oder VW. Zumindest nicht, solange diese Organisationen nicht spürbar umdenken.
Welche Nachhaltigkeitskriterien setzen Sie für Unternehmen an, die auf Ihrer Plattform präsent sein wollen?
Über die Jahre haben wir unsere Nachhaltigkeitskriterien immer weiterentwickelt. Die setzen sich aus positiven Faktoren und einer Ausschlussliste zusammen, aus denen sich ein Score ergeben soll. Grob gesagt haben wir die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen genommen und auf den Arbeitsmarkt runtergebrochen. Die Jobs oder Organisationen leisten entweder humanitäre Hilfe, wirtschaften nachhaltig, vermitteln Wissen, setzen sich für Fairness ein oder schützen die Umwelt. Ausschlusskriterien sind zum Beispiel die Kommerzialisierung von fossilen Brennstoffen, Raubbau oder die Rüstungsindustrie.

Haben Sie Unternehmen ablehnen müssen, weil sie nicht nachhaltig genug waren? Wenn ja, was sind/waren das für Unternehmen?
Unternehmen abzulehnen, die nicht nachhaltig genug sind, ist unser Job, ja! Ab und zu sind das große Marken oder Konzerne, die besonders stolz auf kleine nachhaltige Teilprojekte sind, ohne zu erkennen, dass sie systemisch immer noch großen Schaden anrichten. Manchmal sind es auch kleine Unternehmen, die versuchen, auf den Megatrend Nachhaltigkeit aufzuspringen und damit schnelles Geld zu machen – ohne echtes Interesse, ein substanziell nachhaltiges Geschäftsmodell aufbauen zu wollen. In solchen Fällen fallen die Organisationen beziehungsweise deren Mitarbeitenden ironischerweise auf das eigene Greenwashing herein und sind pikiert, wenn sie eine freundliche Absage von uns bekommen.
Wo müssen auch Sie Kompromisse machen, sehen Sie Graubereiche, die unter dem Nachhaltigkeitsaspekt auf den ersten Blick nur schwer zu greifen sind?
Es ist wichtig, dass es Graubereiche gibt. Graubereiche sind die Brücken, auf denen eine alte Organisation eine nachhaltige Transformierung beschreiten kann. Und natürlich können wir nicht für jede Firma den gesellschaftlichen Netto-Mehrwert bis auf die Nachkommastelle ermitteln. Das ist immer auch eine Abwägungssache. Auf jeden Fall müssen wir mit großen Konzernen in den Dialog gehen, gerade weil sie noch nicht nachhaltig sind. Einen kleinen elitären Bereich an Clean-Tech und Sozialunternehmen abzuschotten, bringt langfristig nichts, weil neben einer Vorbildfunktion mit Strahlkraft die großen Hebel woanders liegen. Genauso wenig wie Deutschland alleine das Klima retten kann, indem wir uns selber für unseren elitären Öko-Lifestyle auf die Schultern klopfen und die Umweltverschmutzung in andere Länder outsourcen.
Wie sorgen Sie auf der Plattform für eine möglichst hohe Transparenz für die User?
An so vielen Stellen wie möglich: Wir veröffentlichen die Good-Jobs-Kriterien für Nachhaltigkeit und ergänzen diese ständig. In Infobeiträgen und auf den sozialen Kanälen geben wir immer wieder Einblicke in unsere Arbeit. In unserer Datenbank für sogenannte „Good Companies“ geben die Unternehmen an, welche Probleme sie mit ihrem Geschäftsmodell lösen wollen.
Welche Pläne gibt es hinsichtlich der Weiterentwicklung von Good Jobs?
Aktuell erreichen wir zwischen zwei bis drei Millionen Sinnsuchende im Jahr. Aktuelle Studien belegen allerdings, dass mindestens die Hälfte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen nachhaltigen Job möchte. Bei gut 30 Millionen Beschäftigten haben wir also noch eine ganze Menge gutzumachen.
Zudem wollen wir in unseren Kernkompetenzen, dem Gatekeeping für die nachhaltigsten Organisationen sowie in dem nachhaltigen Matching von Jobsuchenden und Organisationen, den nächsten Schritt machen. Das heißt für uns, dass wir in unser technisches Produkt investieren werden. Die ständige Frage ist: Wie können wir Sinnsuchende mit den nachhaltigsten Organisationen und Jobs verknüpfen, sodass sie möglichst lange produktiv und glücklich miteinander sind? Dazu muss ich nicht nur Rollen und Funktionen matchen, sondern den Purpose einer Organisation mit dem Sinn-Bedürfnis der Jobsuchenden – also dem, was die Menschen wirklich, wirklich wollen.