Mit der Faust auf den Tisch
Nach gefühlten 20 Jahren hat es wieder einer getan. Ein Bundeskanzler macht von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch und beendet den sogenannten "Atomstreit" vorerst durch ein Basta. Die Öffentlichkeit staunt, aber was stößt uns so ab an klaren Worten und was bedeutet das für Entscheider in schwierigen Situationen?

Klartext, Klartext, Klartext – das wird gerne als Ideal propagiert. Direkte Ansagen machen, ohne Umschweife zum Punkt kommen, nicht lange ausholen. Aber wehe, es trifft einen selber. Dann wird der Klartexter als schroff, unhöflich und nicht empathisch genug gebrandmarkt und ist danach sicher alles, nur keine gute Führungskraft. Dann ist man Basta-Kanzler oder Unternehmensdiktator. Nur weil man nicht jedes Mal eine Krabbelgruppe mit 24 Unterausschüssen einberuft.
Ich habe das erst neulich wieder selbst erlebt. Eine Mitarbeiterin musste wegen eines kleinen Fehlverhaltens ins höfliche Gebet. Also trägt man unter vier Augen das Anliegen vor und formuliert, wie man sich das in Zukunft so wünscht. Ruhig im Ton, klar in der Sache. Resultat: Kündigung. Ich bin ein beschissener Chef, weil ich mir erlaubt habe, in meinem eigenen Laden demütigst auf gewisse Wünsche der Geschäftsführung hinzuweisen. Da bin ich echt froh, dass ich kein Spitzenpolitiker bin. Während mein Einzelschicksal im Verborgenen bleibt, wird jeder Halbsatz eines Politikers zur Staatsaffäre hochgejubelt. Und da gilt bekanntlich: Wie man es macht, es ist falsch.
„Wenn zwei sich streiten, entscheidet der Dritte.“
Wie würden Sie entscheiden? Es streiten sich zwei Führungskräfte der gleichen Hierarchiestufe in der Öffentlichkeit um eine wirklich komplexe Sache. Ideologie, Überzeugung und Sachargumente kann man in der überaus unübersichtlichen Gesamtsituation als „kompliziert mit kritischem Zeitdruck“ beschreiben. Recht und Unrecht haben beide gleichermaßen, je nach persönlicher Geschmackslage. Eine aus Führungssicht einfache Situation, die ganz klar und in jeder Firma so gemacht gehört: Der Boss oder die Bössin muss ran. Sei es als Schlichter oder – wenn es schnell gehen muss – als Befrieder mit der rhetorischen Keule. Irgendwann ist Schluss mit lustig. Ellenlanges Rumeiern gehört im Sinne der Gesamtsache dringend vermieden. Wenn zwei sich streiten, entscheidet der Dritte.
In der heutigen Zeit, in der sich viele Mitarbeiter turbosensibel geben, ist das schnelle und entschlossene Entscheiden allerdings schwieriger geworden. Es lauert stets die Gefahr, dass der Kollateralschaden einer Entscheidung größer ist, als das Risiko der Entscheidung selbst. Weil heute überall Öffentlichkeit lauert – für die einen in der bundesweiten Tagespresse, für die anderen auf Social Media und den Bewertungs- und Lästerportalen über schlechte Chefs. Dabei wäre es sooooo gut, wenn die Leute sich zuerst an die eigene Nase fassen würden.
Konflikte aushalten, Schwierigkeiten moderieren, die Menschen zusammenhalten. Um diese Superkräfte zu entdecken, muss fast jede Führungskraft einen hohen Blutzoll zahlen. Jeder Unternehmer kennt den lebenslangen Schmerz der Unsicherheit über diese Entscheidungsfragen und was wann richtig sein könnte. Nur um dann wieder mit Anlauf in den Hintern getreten zu werden. In diesem Sinne freue ich mich über jeden Kanzler und jeden Unternehmenslenker, der mutig die Richtung vorgibt und auch mal mit erhobener Faust voranschreitet. Denn Erfolg wird bekanntlich aus dem Mut gemacht, in den entscheidenden Situationen voranzugehen.