Nachfolger im Gespräch
Die News November 2022

Mit Spaß und Freude dabei

Nachfolge bei Lapp erfolgreich umgesetzt

Seit Oktober 2022 ist Matthias Lapp neuer CEO des Kabelherstellers Lapp. In dritter Generation möchte er das Familienunternehmen konsequent auf die Zukunft ausrichten und hat frühzeitig einen Kulturwandel angestoßen. Die Redaktion sprach mit ihm über die Nachfolge und aktuelle Herausforderungen.

Hendrik Fuchs
Lesezeit: ca. 7 Minuten
Wolfram Scheible

Siegbert E. Lapp, Katharina Lapp, Matthias Lapp und Andreas Lapp (v.l) Mit Katharina Lapp ist auch in Zukunft ein Familienmitglied im Aufsichtsrat vertreten.

Herr Lapp, was waren für Sie die ausschlaggebenden Gründe für den Einstieg ins Familienunternehmen?

Ich bin mit Lapp groß geworden. Egal, ob am heimischen Esstisch, bei privaten Familienfeiern, auf denen sich die Verwandtschaft rege austauschte oder eben als Ferienjobber in unserer Steckerproduktion – das Thema Familienunternehmen war immer irgendwie in meinem Leben präsent. Als Kind hatte man von der großen Verantwortung natürlich noch keine Ahnung. Aber gerade durch mein Studium konnte ich das Ganze besser einordnen und verstehen, was ein Unternehmen in Familienhand ausmacht.

Mein Ziel war es allerdings nie, direkt bei Lapp einzusteigen. Nach dem Studium der Internationalen BWL in Englisch und Spanisch arbeitete ich bei Coca-Cola in Mexiko im Marketing. Zwei Jahre später, 2008, machte ich noch den Master in Internationaler BWL in Amsterdam. Kurze Zeit später kam ein Angebot von Lapp. Der frühere externe Vorstand wollte in einem halben Jahr in Rente gehen. Dieser verfügte über einen wahnsinnig großen Fundus an Know-how über das Familienunternehmen. Und mein Onkel und mein Vater fragten, ob ich mir den in der noch verbleibenden Zeit zumindest ein Stück weit aneignen wollte. Das fand ich spannend und ich sagte zu. Erst danach wollte ich mich wieder extern weiter bewerben. Doch aus dem halben Jahr sind jetzt elf Jahre geworden.

Wie lief der Nachfolgeprozess ab?

Der Wunsch einmal ins Familienunternehmen einzutreten hatte sich während meines Masterstudiums immer mehr herauskristallisiert. Von daher war der Eintritt 2010 nur logisch – wenn auch früher als ursprünglich gedacht. Ich bin nach und nach in die Verantwortung hineingewachsen und konnte viel gestalten. Aber mir wurde nichts in den Schoß gelegt. In unserer Familien-Charta ist genau geregelt, wann und wie ein Familienmitglied in der Firma einsteigen kann. Dazu gehört auch, dass man als Familienmitglied unter Beweis stellen muss, dass man Führungsverantwortung übernehmen kann.

Die Lapp-Gruppe ist eine inhabergeführte, weltweit tätige Unternehmensgruppe im Bereich der Verbindungstechnologie. Lapp / Capa Pictures

Wie waren die konkreten Schritte?

Nach dem halben Jahr an der Seite des externen Vorstands war ich bei meinem Onkel im Vertrieb und im Marketingbereich aktiv. 2015 wurde ich Exportleiter und konnte in dieser Funktion nicht nur die Familie, sondern auch unsere Mitarbeitenden überzeugen. Ein weiterer Schritt beim Generationswechsel war der Zeitpunkt, an dem sich mein Onkel Andreas und mein Vater Siegbert mehr aus dem operativen zurückzogen. Ich folgte auf meinen Onkel Andreas als CEO der Region LA EMEA (Lateinamerika, Europa, Mittlerer Osten, Afrika) und wurde Geschäftsführer der Muttergesellschaft U.I. Lapp GmbH. Das ist die umsatzstärkste Region der Lapp Gruppe. In dieser Rolle konnte ich die Internationalisierung des Familienunternehmens sehr erfolgreich weiter vorantreiben und einen starken Fokus auf die Themen Unternehmenskultur und internationale Zusammenarbeit legen.

War damit dann schon alles klar, dass Sie der nächste Vorstandsvorsitzende werden würden?

Nein, das war kein Automatismus. Die Region LA EMEA hatte sich in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt. Aber trotz meinem „Familienbonus“ musste ich noch eine Hürde meistern: Nach der Empfehlung meines Onkels und meines Vaters musste ich ein Bewerbungsgespräch mit dem Familienrat und dem Aufsichtsrat führen. Das war teilweise schon ein etwas mulmiges Gespräch, bei dem sich viel darum drehte, wie man sich selbst sieht und wie mich andere Personen einschätzen. Anschließend wurde über mich im Familienrat beraten. Am Ende stand fest: „Der kann das.“ Und sie teilten mir mit, dass sie sich alle freuen würden, wenn ich es machen würde. Dieses Vorgehen finde ich übrigens super. Schließlich steht bei einem Familienunternehmen auch sehr viel auf dem Spiel. Da muss man schon genau darauf schauen, wer das Ruder übernehmen soll, beziehungsweise ob sie oder er überhaupt der Aufgabe, dieser Verantwortung gewachsen ist – Familienbonus hin oder her. Ich bin jedenfalls mit Spaß und Freude bei der Sache und stecke viel Herzblut in meine neue Aufgabe.

Was hat Ihnen den Nachfolgeprozess erleichtert, was hatten Sie vielleicht anfangs auch unterschätzt?

Vor allem das gute Miteinander mit meinem Onkel hat vieles erleichtert. Er war einerseits immer für mich da, wenn ich ihn gebraucht habe. Andererseits hat er mir viel Freiraum gelassen und großes Vertrauen geschenkt. Also konnte ich in meiner Verantwortung viel freier agieren, ohne dass er groß intervenierte. Das macht es auf der einen Seite einfacher, aber auf der anderen Seite passiert dann natürlich auch mal der eine oder andere Fehler, den man selbst ausbaden muss. Was ich unterschätzt habe, ist, wie mich die meisten Mitarbeitenden in den vergangenen Jahren wahrgenommen haben. Sie haben mich immer als Unternehmer gesehen, nicht als Kollege. Und viele Mitarbeitende gingen automatisch davon aus, dass ich mich bis ins kleinste Detail mit dem Unternehmen auskenne und alles weiß. Das machte das Miteinander manchmal etwas kompliziert.

Sie konnten ja in den vergangenen Jahren Führungserfahrung innerhalb des Unternehmens sammeln. Inwieweit unterscheiden sich Ihr Führungsstil und die Unternehmenskultur von der Vorgängergeneration?

Ich pflege einen integrativeren Führungsstil. Mir ist bewusst, dass eine Person nicht alles entscheiden kann. Die Vorgängergeneration hat früher noch jede Niederlassung selbst gegründet und alleine aufgebaut. Mein Onkel und mein Vater waren in alle Prozesse integriert und kannten alle Beteiligten im Detail. Das wird es unter meiner Leitung nicht mehr geben. Ich delegiere da mehr und sage „Entscheidet ihr das in der Niederlassung, in eurem Land oder in eurem Team“. Entscheidungen sollen also dort getroffen werden, wo die Informationen vorliegen und wo die Fachleute sitzen. Unser Familienunternehmen ist inzwischen einfach viel zu groß, um alles selbst machen zu können. Natürlich ist offene transparente Kommunikation in diesem Kontext, wesentlich.

Lapp

Da wir in einer sehr volatilen Zeit leben und kundenzentrierter arbeiten wollen, müssen wir bei Lapp eine hohe Veränderungsbereitschaft an den Tag legen – weg von starren Strukturen hin zu mehr Flexibilität und Agilität. Das spiegelt sich in unserem Kulturwandel wider, der uns unter dem Motto „One LAPP“ gut durch die Pandemie der vergangenen zwei Jahre getragen hat. In den vergangenen fünf Jahren sind ein sehr positives Miteinander, ein Vertrauen und gegenseitiges Fördern und Fordern entstanden. Im Vordergrund stehen dabei allerdings eine klare Leistungs-, Prozess- und Ergebnisorientierung. Es geht darum, dass jeder Mitarbeitende schaut, was er optimieren kann. Und natürlich muss man akzeptieren, dass andere auch mal eine bestimmte Sache besser machen als man selbst. Gelebtes Best Practice Sharing ist hier die Devise. Dazu gehört natürlich auch die Bereitschaft, das Bessere zu teilen. Das ist das, was ich gerade sehr massiv vorantreibe, und ich bin mir sehr bewusst darüber, dass ich das als CEO auch vorleben muss.

Welche Tipps können Sie jungen Menschen aus Unternehmerfamilien mit auf den Weg geben, die ebenfalls mit der Nachfolge im elterlichen Betrieb liebäugeln, aber noch unschlüssig sind?

Man sollte sich nie unter Druck setzen lassen, wenn es darum geht, die Nachfolge anzutreten. Es sei denn, es liegt ein Notfall an der Spitze des Unternehmens vor. Nachfolge sollte immer eine Herzensangelegenheit sein. Nur wer mit Spaß und Freunde ins Familienunternehmen eintritt, wird später auch erfolgreich sein. Gerade Nachkommen aus Familienunternehmen, die in der Regel finanziell gut ausgestattet sind, haben doch viel mehr Möglichkeiten, um das zu tun, was sie wirklich wollen – fernab vom eigenen Unternehmen. Doch es gibt leider nicht wenige, die trotzdem den Weg als Unternehmerin oder Unternehmer einschlagen, meistens aus einem falschen Pflichtbewusstsein heraus. Dann ist man erstens nicht unbedingt der Beste. Zweitens ist es auch für die eigene Persönlichkeitsentwicklung nicht besonders förderlich, wenn man etwas nicht aus vollster Überzeugung macht. Da ist vielleicht die Arbeit als Gesellschafter oder die Übernahme einer anderen Rolle innerhalb der Unternehmerfamilie die bessere Option.

Welche Themen wollen Sie in den nächsten Jahren bei LAPP stärker vorantreiben? Wo sehen Sie als Nachfolger die größten Herausforderungen, um das Familienunternehmen zukunftsfähig zu machen?

Die größte Herausforderung ist es, genau zu wissen, was der Kunde braucht und sich in Zukunft wünscht. Wir sehen uns als sogenannten Enabler. So müssen wir uns am Markt positionieren. In volatilen Zeiten müssen wir – wie bereits oben beschrieben – in der Lage sein, schnell zu reagieren und uns anzupassen. Das gelingt mit einer Unternehmenskultur, die so etwas zulässt. Wer sich auf solche Veränderungen schnell einstellen kann, wird auch künftig vorne mitspielen. Es geht nicht mehr darum, wer das beste Produkt, die beste Technik hat, sondern um die Anpassungsfähigkeit. In der aktuellen Rohstoffknappheit etwa muss man in der Lage sein, möglichst schnell neue Lieferanten aufzubauen, ohne dabei gewisse Qualitätskriterien zu vernachlässigen. Zudem müssen rechtzeitig Wege und Möglichkeiten gefunden werden, um zum Beispiel bestimmte Zertifizierungsverfahren zu beschleunigen. Und natürlich hält uns auch die Energiekrise in Atem: Wir müssen schauen, dass unsere Werke weiterhin zuverlässig unsere Produkte herstellen können.

Ein weiteres Thema, an dem heute kein Unternehmen vorbeikommt, ist die konsequente Ausrichtung auf eine ganzheitliche Nachhaltigkeit. Dazu gehört die CO2-Neutralität genauso dazu, wie die Entwicklung von Innovationen, ein wertschätzender Umgang mit Mitarbeitenden, sowie die Digitalisierung und Automatisierung. Da arbeiten wir gerade mit Hochdruck an zukunftsfähigen Konzepten.

www.lapp.com

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