Mitarbeiter-Marketing ist harte Markenarbeit
Über Employer Branding geredet wird viel. Einmal ist von "War for Talents" die Rede, dann wieder von "Humankapital". Am Ende geht es jedoch um recht einfache Dinge, bei denen – richtig gemacht – Familienunternehmen mit aufrichtiger Führung schnell die Nase vorne haben. Eines ist jedoch Voraussetzung: Für die Entscheider muss der Begriff "Marke" mehr sein als eine Worthülse, sondern ein ernstzunehmendes Konzept der generationenübergreifenden Vertrauensbildung.

Auch der Richard Pflaum Verlag – hier ein Bild vom 1890 erbauten, denkmalgeschützte Verlagsgebäude in der Münchner Lazarettstraße – setzt auf voll auf das Thema Employer Branding.
In den USA sagt man: „Employees don‘t leave companies. Employees leave bosses.“ Da ist was dran, wenn man sich die internationale Literatur über starke Arbeitgebermarken anschaut. Zur Zeit ist speziell in den Ballungsräumen ein Wettbieten um Sonder- und Zusatzleistungen, Zulagen und Gratifikationen für Mitarbeiter entbrannt. Der Finanzer lamentiert folglich: „Stell dir vor, wir bilden die Leute aus und dann verlassen sie uns.“ Der Personaler antwortet: „Stell dir vor, wir bilden sie nicht aus – und sie bleiben.“
Was bringt Menschen dazu, ein Unternehmen zu lieben und ihm als mehr oder weniger normaler Angestellter ein ganzes Leben zu widmen? Was begeistert die Leute heute so sehr, dass sie die eine Firma der anderen bei Bewerbungen vorziehen? Die Zahl der Antworten ist so vielfältig wie es Charaktere und Lebenssituationen gibt. Es lassen sich jedoch Gemeinsamkeiten erkennen. Durch umsichtige Führungsarbeit kann jeder das Schicksal zu seinen Gunsten beeinflussen.
Ein Blick ins Lehrbuch
Da steht: „Employer Branding bezeichnet den Prozess, welcher zum Erstarken der Employer Brand, also der Arbeitgebermarke, führt. Dieser Prozess umfasst immer die Analyse, die Entwicklung und Umsetzung, sowie die Messung der Ergebnisse […].“ Die demografische Entwicklung wird sicherstellen, dass Fachkräfte Mangelware bleiben. Wer zukunftsfähig sein will, MUSS tätig werden. Unternehmen, die zuwarten, werden die Rechnung bekommen und sind später nicht in der Lage, kurzfristig zu agieren, da der gesunde Aufbau von Marken eher Jahre als Monate benötigt. Grundsätzlich kann jedes Unternehmen im Sinne einer Mitarbeitermarke auftreten. Der Employer-Branding-Prozess unterscheidet sich dabei nicht wesentlich von anderen Planungsprozessen und mit offenem Herzen lassen sich erste Hürden zügig nehmen.
Die Analyse
Die Analyse betrachtet wie üblich externe und interne Umfeldfaktoren und hat ein Stärken-Schwächen-Profil zum Ziel, aus dem man später Maßnahmen ableitet. Damit man sich in den Untiefen der Analytik nicht selbst versenkt, lohnt die Konzentration auf einen kompakten relevanten Markt. Typischerweise entstehen zwei Konzepte Hand in Hand: eines zur Vertiefung der Mitarbeiterbindung, ein anderes zur Beschleunigung der Mitarbeitergewinnung.
Die Strategie
In Phase Zwei überträgt man die Positionierung der Unternehmensmarke (sofern man eine pflegt) auf die Arbeitgebermarke. Das ist dem Marketing ähnlich. Aus spezifischen Stärken und unternehmenstypischen Werten entsteht ein Arbeitgeberversprechen, die „Employer Value Proposition“. Man darf diese analog zur bekannteren Unique Selling Proposition (USP) sehen. Der Markt-USP und der Mitarbeiter-USP sollen glaubwürdig aufeinander aufbauen und sich ergänzen. Zur Strategie gehört auch die Festlegung, auf welchen Berufsgruppen Schwerpunkte liegen und welche Kompetenzen man noch entwickeln muss. Auf längere Sicht wichtig ist die Entwicklung eines Wir-Gefühls, das nur über hervorragend agierende Führungskräfte erreichbar ist. Womit wir bei der Kernerkenntnis sind: Starke Arbeitgebermarken entstehen durch starke Menschen. Die beste Sachleistung ist Mist, wenn man intern mit einer anti-empathischen Chaostruppe konfrontiert wird.
Die Umsetzung
In der Umsetzung definiert man die Arbeitgeberleistungen und entwirft ein Kreativkonzept mit Kommunikationsmaßnahmen nach innen und außen. Eine lebendige Arbeitgebermarke braucht mindestens so viel Liebe in der Kommunikation wie das neueste Produkt und sie muss ebenso großzügig budgetiert werden. Sie braucht Reichweite und Botschaften, die sitzen, denn: „Auch Personalanzeigen (oder was auch immer Sie tun werden), sind Imageanzeigen.“ Daher MÜSSEN verantwortungsvolle Unternehmer hier mit hohem Anspruch und viel Fleiß zu Werke gehen.
Berechnen Sie in Ihre Planung ein, dass das Entwickeln guter Konzepte eher sechs oder mehr Monate in Anspruch nimmt. Bis die Wirksamkeit eintritt, können deutlich längere Zeiträume vergehen. Diese Anlaufzeiten sind kaum zu überspringen, daher ist sofortiges Handeln ratsam.
Ein Fallbeispiel aus dem eigenen Hause
Erste Schritte im Employer Branding sind leicht. Ein aufrichtig guter Wille und offene Ohren ersetzen manchen Berater. Im Pflaum Verlag haben wir uns – wie wahrscheinlich viele andere Familienunternehmen auch – bis zum letzten Generationswechsel nie konkrete Gedanken über Employer Branding gemacht. Wir haben allerdings über Jahre massiv in unsere Marken investiert, weswegen die halbe Miete schon eingefahren war, denn als Qualitätsführer stellt man auch etwas dar. Unser Fokus lag zunächst auf der Mitarbeiterbindung, da eine eingespielte, stabile Mannschaft von entscheidender Bedeutung für uns ist.
Das vorurteilsfreie Entwerfen eines Stärken-Schwächen-Profils kann weh tun und die beste Quelle dafür sind die Mitarbeiter selber. In persönlichen Befragungen bekomme ich trotz guter Beziehungen kaum ehrliche Antworten. Niemand reitet sich durch überbordende Ehrlichkeit grundlos rein. Eine anonymisierte Umfrage ist demnach das beste Mittel. Hier gibt es einfache Internet-Helferlein, mit denen man Umfragen erstellen und auswerten kann. Ich stelle Ihnen meinen Fragebogen übrigens gerne zur Verfügung, wenn Sie mir ein E-Mail schreiben.
Das Ergebnis meiner Umfrage ergab ein fast typisches Stärken-Schwächen-Profil, denn die Antworten unserer Mitarbeiter klangen zuerst recht allgemein. Daraus lässt sich schließen, dass der durchschnittliche Mitarbeiter recht berechenbare, menschliche Wünsche hat. Mich hat es sehr gefreut, dass wir offensichtlich als Personen nicht allzu viel falsch machen und unsere Mitarbeiter sehr gerne bei uns arbeiten. Die Einschätzung unserer Führung zeigt, wie abhängig das aber auch von der Persönlichkeit der Mitarbeiter ist. Viele kommen mit flachen Hierachien und selbstbestimmtem Arbeiten gut zurecht, andere benötigen mehr Führung, Wärme, Nähe. Auch die Fort- und Weiterbildung spielt eine Rolle. Bei uns liegt es in der Hand der Mitarbeiter, ihren Fortbildungsbedarf selbst zu bestimmen. Wer aber nichts vorschlägt, macht auch keine Fort- oder Weiterbildung. Hier müssen wir trotz aller Freiheiten mehr motivieren. Einzig der Punkt der zu geringen Bezahlung bietet wenig betriebswirtschaftlichen Spielraum, aber auch hier haben persönliche Gespräche Optimierungen möglich gemacht und für besseres Verständnis gesorgt. Insgesamt war Vieles durch Änderungen in der Handlungsweise und Kommunikation der Geschäftsführung zu verbessern. Das meiste davon, ohne Budget aufzuwenden.
Wir haben an unserem Konzept auf Basis der Umfrage weitergearbeitet und unsere Positionierung weiterentwickelt. Wir wollen unseren Mitarbeitern persönliches Wachstum ermöglichen, das die Familienplanung ausdrücklich miteinbezieht. Anders als bei anderen Unternehmen, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zum nachweislich gelebten Wert gereift. Als Eltern und Arbeitgeber wissen wir, welche Unsicherheiten und Ängste die individuelle Familienplanung mit sich bringt. Gegenüber uns als Arbeitgeber sollen Sätze wie „Ich will ein Kind … ich brauche Elternzeit“ etc. keine Angstmomente sein, sondern ganz normale Vorgänge eines Lebens, an denen der Arbeitgeber auch seinen Anteil hat. Wir wünschen uns Offenheit und Planungssicherheit, die Mitarbeiter bekommen dafür ein Umfeld, in dem alles möglich ist, wenn man gut und proaktiv miteinander spricht. Daraus ergibt sich für uns eine Employer Value Proposition, die man werblich mit „Echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf!“ in Worte fassen kann.
Ich hoffe, dass ich Sie mit diesem Einblick in das Thema Employer Branding und den Ausschnitten aus meiner Arbeit inspirieren konnte und freue mich auf den Dialog mit Ihnen.