Ohne Kommunikation keine Kooperation
Unabhängigkeit und langfristige Überlebensfähigkeit sind zwei zentrale Ziele von Familienunternehmen und Unternehmerfamilien. Beides braucht konstante Veränderung und Innovation. Und Innovation braucht Kooperation. Mehr als je zuvor.

Der alte Grundsatz, der zum Beispiel auf Schwäbisch so oder so ähnlich klingt „Des mocha mer alloi“, ist in Zeiten von sich sehr schnell und häufig verändernden Rahmenbedingungen keine gute Strategie. Er kann sogar dazu führen, dass die über Generationen geschaffene unternehmerische Basis durch eine zunehmende Isolation erodiert und entsprechende Werte, Beziehungen, Zugänge, Know-how und gesellschaftliche und soziale Aufgaben, gerade auch in den ländlichen Regionen, nicht mehr erfüllt werden. Kooperation ist allerdings auch kein Selbstzweck, sondern braucht entsprechende Vorbereitung. Aber beginnen wir heute einmal damit, uns dem Thema Kooperation entsprechend zu nähern.
Paradebeispiel Wikipedia
In Zeiten wie diesen wäre das eine gute Frage an „ChatGPT“, die künstliche Intelligenz von „OpenAI“. Tja, wenn da nicht derzeit so viele Anfragen parallel laufen würden und dieses spannende neue Werkzeug derzeit oftmals nicht genutzt werden kann – Bezahlangebote werden diesbezüglich wohl bald vorliegen. Aber gut, dann greifen wird doch einfach auf ein weltumspannendes Projekt zurück, das übrigens ein echtes Paradebeispiel für die Innovationskraft von gelebter Kooperation ist: die von Jimmy Wales, einem Unternehmer, und Larry Sanger, einem Philosophen, gemeinsam gegründete Online-Enzyklopädie Wikipedia, befüllt, gepflegt und erweitert von einer Vielzahl von Menschen weltweit – und künftig wohl auch verstärkt von sogenannten künstlichen Intelligenzen weltweit. Also: Was sagt Wikipedia zu der Frage, was denn Kooperation eigentlich ist? „Kooperation (lateinisch cooperatio ‚Zusammenwirkung‘, ‚Mitwirkung‘) ist das zweckgerichtete Zusammenwirken zweier oder mehrerer Lebewesen, Personen oder Systeme mit gemeinsamen Zielen. Ist die wechselseitige Einwirkung der Akteure nicht intentional oder zweckgerichtet, spricht man hingegen von Interaktion. Kooperation und Interaktion sind wesentliche Merkmale menschlicher Arbeit in sozialen Systemen.“ Aha, dann wissen wir ja jetzt schon einmal, dass der Wille zur Interaktion – wohl auch zum Aufspüren von Kooperationsmöglichkeiten – und die dann eventuell folgende Kooperation fast schon konstituierend für von Menschen geprägte soziale Systeme sind. Doch warum ist das so?

Warum Kooperation?
Am Beispiel Wikipedia: Die Wikipedia bietet derzeit etwa 60 Millionen enzyklopädische Artikel und andere Inhalte wie Listen in über 300 Sprachen und Dialekten. Das wäre ohne Kooperation nicht möglich. Die Inhalte der Wikipedia werden von Freiwilligen, auch Autorinnen und Autoren genannt, erstellt und gepflegt, die dafür von der betreibenden Organisation keine finanzielle Entschädigung erhalten. Kooperation schafft also Dinge, die alleine nicht oder nicht in der entsprechenden Zeit und Qualität möglich werden. Das Gute daran: Der Einzelne profitiert wiederum vom Einsatz der anderen, solange für alle Beteiligten ein direkter oder indirekter Nutzen in der Kooperation gesehen wird. Sonst natürlich nicht. Und der wahrgenommene Nutzen aus einer Kooperation kann sehr unterschiedlich sein. Familienunternehmen haben das schon immer gewusst. Und bauen daher auf langfristig angelegte Kooperationsbeziehungen, die vielfach über mehrere Generationen gepflegt und weiterentwickelt werden – und zwar mit ganz verschiedenen Anspruchsgruppen, seien es Mitarbeitende, wo bereits der Großvater, die Tochter und der Enkelsohn für dasselbe Unternehmen gearbeitet hat, oder auch Kunden- und Lieferantenbeziehungen, wo mehrere Generationen von Mitgliedern aus Unternehmerfamilien zusammenarbeiten. Das funktioniert natürlich dann besonders gut, wenn der Kunde oder Lieferant auch ein Familienunternehmen oder zumindest ein langfristig orientierter Partner ist. Aber dazu später.
Wie funktioniert Kooperation (nicht)?
Nach dem Prinzip des kollaborativen Schreibens sollen Artikel bei Wikipedia fortwährend bearbeitet und diskutiert werden. Die freiwillige Mitarbeit steht jeder Person offen, die sich an die Wikipedia-Grundprinzipien hält. Fast alle Inhalte der Wikipedia stehen unter freien Lizenzen.
Orientierung schaffen durch Interaktion mit möglichen Kooperationspartnern
Vor Beginn einer Kooperation steht eine Bestandsaufnahme der Kooperationsmöglichkeiten. Dabei werden sinnvollerweise die eigene Position und das eigene Profil im Netzwerk in einem bestimmten Bereich, in einer Region, in einer Branche et cetera analysiert. Wissen über Netzwerke und andere Akteure trägt wesentlich dazu bei, unter günstigen Bedingungen in eine Kooperation zu starten. Daher ist eine systematische Bestandsaufnahme der jeweiligen Akteure ihrer Profile und ihrer Vernetzung zu Beginn von hoher Bedeutung. Dies geschieht über formelle und informelle Interaktionsflächen zur schnellen Orientierung. Besonders wertvoll sind dazu beispielsweise Veranstaltungen und Konferenzen, die branchenübergreifend aufgestellt sind, aber mit einem „common ground“ ausgestattet sind, um schnell einen vertrauensvollen Austausch zu ermöglichen. Hierzu zählt etwa der „Friedrichshafener Familienfrühling“ des FIF an der Zeppelin Universität am 5./6. Mai 2023 am Bodensee, der sich rein an Unternehmerfamilien richtet (der besagte „common ground“), aber gleichzeitig Einblicke und Kontakte in unterschiedlichste Branchen über die vor Ort befindlichen Familienunternehmen mit sich bringt (www.familienfrühling.de). Es ist belegt, dass eine regelmäßige Wiederholung der Bestandsaufnahme bei längerfristigen Kooperationen sinnvoll sein kann. Das zeigt auch die Stammgästeliste des Familienfrühlings: Die Veranstaltung bietet die Möglichkeit zum regelmäßigen Update sowohl der inhaltlichen (Wer macht was? Wer möchte in Zukunft was machen?) als auch der Beziehungskomponente (Wie geht’s dem anderen gerade?). Noch ein Satz dazu: Kooperationsstarke Unternehmerfamilien wissen, dass die Beschäftigung mit persönlichen Beziehungen untereinander überaus sinnvoll ist, um negativen Einfluss auf die Kooperation, etwa durch ungleiche Informationsflüsse, zu vermeiden und im Zweifel einen wichtigen Kooperationspartner auch frühzeitig in Problemlagen unterstützen zu können, getreu dem Motto: Geht’s dem Partner gut, geht’s uns allen gut. Das kennt die eine oder der andere ja mit Sicherheit auch aus dem privaten Kontext.

Kooperation braucht Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation
Gelingende Kooperation braucht Kommunikation. Das kann sehr freudvoll, manchmal auch anstrengend sein, ist aber unabdingbar. Ohne Kommunikation gibt es keine Kooperation. Schon gar nicht, wenn es um eine langfristige Zusammenarbeit geht. Sprich: Kooperationspartner tauschen sich regelmäßig aus. Und zwar auf Augenhöhe und mit entsprechender Offenheit: Die Kommunikation in gelingenden Kooperationsbeziehungen ist von Transparenz bestimmt. Immer wieder über aktuelle Themen, Interessen und Möglichkeiten anderer Akteure informiert zu sein und zu reden, erleichtert die Bestandsaufnahme (Wer ist da noch so unterwegs? Wer ist neu dazugekommen?), die Reflexion der Beziehungen untereinander (Wer verhält sich wie? Wer ist ein zuverlässiger Kooperationspartner, wer eher nicht?) und die Entwicklung und das Monitoring geteilter Ziele. Dabei möglichst transparent mit Informationen umzugehen, verhindert Machtungleichheiten und unproduktive Konflikte.
Kooperation braucht klare Festlegung von Koordinations- und Führungsrollen
Vor allem sehr intensive und stark formalisierte Projekte, die auf lange Dauer ausgelegt sind, gelingen eher, wenn es klare Strukturen in den Kooperationsbeziehungen gibt, also wenn gemeinsam festgelegt wurde, wer welche Beiträge leistet und wer nach welchen Regeln Entscheidungen trifft. Dadurch werden Missverständnisse vermieden und Entscheidungen lassen sich schneller treffen. Eine transparente Kommunikation über die Interessen, Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten der Kooperationspartner erleichtert die Bildung von Strukturen, die für alle Beteiligten tragbar sind. Mit klaren Strukturen ist jedoch nicht gemeint, dass Kooperation autoritär geführt werden soll. Ein nach klaren Regeln funktionierendes Entscheidungszentrum kann wichtig sein, sollte aber durch Rückkopplungsmechanismen den Kontakt zur Basis behalten. Je nach Ziel der Kooperation kann eine Koordinationsstelle zur Festlegung von Terminen und zur Moderation von Veranstaltungen ebenso funktional sein. Generell sollten potenziell bestehende und durch die Aufgabenverteilung neu entstehende Machtungleichheiten zwischen den Kooperationspartner reflektiert werden. Das schriftliche Festhalten dieses Prozesses in Form einer Kooperationsvereinbarung hilft dabei, spätere Konflikte zu klären oder neue Akteure in die Kooperation aufzunehmen. Dies kann allerdings auch informell geklärt werden, je nach Art und Ziel der Kooperation.
Gelingende Kooperation beruht auf gemeinsam ausgehandelten Zielen
Beispiele gelingender Kooperation beruhen darauf, dass die Kooperationspartner klare Ziele für die gemeinsame Tätigkeit teilen oder abgeklärt haben, in welcher Weise die Kooperation den jeweils individuellen Zielen nützt. Diese Ziele sollten von allen beteiligten Akteuren zu Beginn der Kooperation ausgehandelt werden, um Akzeptanz und Verbindlichkeit sicherzustellen. Dieser Aushandlungsprozess wird durch transparente Kommunikation über die Interessen, Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten aller Akteure gefördert, kann ebenso der Reflexion informeller Beziehungen und der Bildung klarer Strukturen dienen. Eine gründliche Reflexion der Positionen aller (potenziellen) Kooperationspartner zu Anfang verhindert, dass es später zu Konflikten wegen nicht kommunizierter Erwartungen an die Kooperation kommt. Es ist außerdem gut belegt, dass das Vereinbaren realistischer und schnell erreichbarer Zwischenziele einen starken Motivationseffekt auf die Kooperationspartner hat. Und: Nach dem Prinzip „work hard & party hard“ kann das gemeinsame Feiern solcher ersten Erfolge, also das Erreichen wesentlicher Zwischenziele, ganz entscheidend zur langfristigen Motivation aller Kooperationspartner beitragen.
Was bedeutet das für Familienunternehmen?
Genau dieser Frage werden wir uns in einer der nächsten Ausgaben von DIE NEWS widmen. Und so viel kann bereits getrost verraten werden: Wir werden zu Kooperationen von Familienunternehmen mit anderen Familienunternehmen und Start-ups, zwischen verschiedenen Generationen einer Unternehmerfamilie, aber auch die Kooperationsmöglichkeiten mit virtuellen Kooperationspartnern wie einer künstlichen Intelligenz beleuchten. Dabei wird sowohl auf aktuelle Forschung als auch auf konkrete Beispiele zurückgegriffen. In diesem Sinne: stay tuned, es bleibt spannend. Und nicht vergessen: Gut gemachte Kooperation ist Trumpf.