Blickpunkt
Die News November 2022

Wegweisendes Leuchtturmprojekt

Das Holzhybrid-Bürogebäude „The Cradle“

Auf dem Gelände des Düsseldorfer Medienhafens entsteht gerade das zukunftsweisende Bürogebäude "The Cradle". Das Besondere: Nahezu alle Bestandteile des Bauwerks bestehen aus kreislauffähigen Materialien, die nach dem Gebrauch wieder in den Materialkreislauf zurückgeführt werden können. Geplant und umgesetzt wird das Projekt vom Familienunternehmen und Projektentwickler Interboden sowie von HPP-Architekten.

Lesezeit: ca. 4 Minuten
Interboden Gruppe / HPP / bloomimages

Bereits 2019 begannen die Tiefbauarbeiten am Objekt, im Dezember 2020 war der Hochbau an der Reihe und im April dieses Jahres folgten die Holzbauarbeiten. Die Fertigstellung des Gebäudes ist für das erste Halbjahr 2023 vorgesehen.

CO2-Fußabdruck massiv reduziert

Insgesamt sollen hier auf circa 7.200 Quadratmetern moderne Räumlichkeiten für Büro und Gastronomie entstehen. Rund 2.150 Kubikmeter Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft in Europa wurden inzwischen verbaut. Größtenteils fand das Material Einzug in den Decken, Stützen sowie in der charakteristischen Außenfassade des Gebäudes. Im Sinne der Cradle-to-Cradle-Philosophie (siehe Kasten) sind die verwendeten Materialien des Gebäudes zu 97,7 Prozent kreislauffähig und dementsprechend wiederverwertbar. So wird zum Beispiel das Holz bei einem möglichen Rückbau des Gebäudes wieder in den Materialkreislauf zurückgeführt und wiederverwendet. Das Holz wird als Hybridmaterial eingesetzt. Das bedeutet, dass es mit anderen Baustoffen kombiniert und überall dort eingesetzt wird, wo es endliche Materialien wie Beton, Stahl oder Kunststoffe ersetzen kann. „Wir beziehen unser Holz ausschließlich aus nachhaltiger Forstwirtschaft in Europa, größtenteils sogar aus Deutschland“, sagt Andreas Willms, Projektleiter „The Cradle“ von Interboden. „Berechnungen zufolge wird der CO2-Fußabdruck insgesamt um rund 1.900 Tonnen im Vergleich zu konventionellen Gebäuden reduziert. Dies entspricht rund zehn Millionen gefahrenen PKW-Kilometern (251 Weltumrundungen) und einer Reduktion von rund 40 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Gebäuden. Der Einsatz von Holz anstelle von endlichen Rohstoffen ist hierfür der entscheidende Faktor.“ Ein weiterer Grund sei ein Logistikkonzept, bei dem das Holz direkt auf seinem Transportweg an geeigneten Stellen bearbeitet wird und keine großen Umwege machen muss. Für den Holzbau arbeitet das Familienunternehmen mit der Firma Derix zusammen. „Wir sind kontinuierlich auf der Suche nach neuen Möglichkeiten, das Bauen mit Holz noch nachhaltiger und ressourcenschonender zu gestalten, als es ohnehin schon ist. Als erstes Unternehmen unserer Branche haben wir die Rücknahme gebrauchter Holzbauteile für unsere Kunden zum Standard gemacht“, unterstreicht Markus Steppler, Vertriebsleiter bei Derix.

Das Bauwerk als Materiallager

Das Projekt „The Cradle“ öffnet einen ganz neuen Blick auf das Bauen selbst: „Hier wird das Gebäude als Materiallager im Lebenszyklus gedacht, das sich die Ressourcen nur für eine bestimmte Zeit ausborgt“, hebt Carsten Boell, Geschäftsführer der Interboden-Gewerbewelten, hervor. Durch reversible Verbindungen wird eine größtmögliche Kreislauffähigkeit durch Demontierbarkeit erreicht. Sämtliche Daten der Materialien werden in dem digitalen Material-Passport mit dem BIM-Modell des Projekts verknüpft und stehen für einen möglichen späteren Rückbau zur Verfügung. „Somit erhöht sich der Wert des Gebäudes und ermöglicht eine völlig neue Betrachtung der Immobilieninvestition“, sagt Boell. Um den Kreislaufgedanken in Deutschland weiter voranzutreiben, hat sich das Familienunternehmen als einer der ersten Partner in Deutschland dem digitalen Kataster für Materialien „Madaster“ angeschlossen. Die Plattform vermittelt einen Einblick, welche Bauteile und Materialien an welchen Stellen eines Gebäudes zu finden sind und welche Auswirkungen sie auf die Kreislaufwirtschaft und die Umwelt haben. Dabei kann die Plattform sowohl im Neubau als auch bei Bestandsobjekten angewendet werden. „Gemeinsam wollen wir daran arbeiten, die Kreislaufwirtschaft unkomplizierter und effizienter zu gestalten“, sagt Boell abschließend.

The Cradle - das Gebäude ist als Materiallager im Lebenszyklus geplant Interboden Gruppe / HPP / bloomimages

Bauen mit Holz

„Wir haben uns für die Verwendung von Holz entschieden, da es insbesondere in Bezug auf Materialgesundheit und CO2-Fußabdruck sehr positive Auswirkungen hat“, führt Willms aus. Somit wirke sich das Material positiv auf die Arbeitsumgebung aus. Die rund 2.150 Kubikmeter Holz verteilen sich auf etwa 1.750 Kubikmeter Fichte, 225 Kubikmeter Lärche und 175 Kubikmeter Buche. Zum Vergleich: In der größten Holzachterbahn der Welt, dem „Colossos“ im Heide-Park-Resort in Soltau, wurden etwa 3.000 Kubikmeter Holz verbaut. Jede Holzsorte wurde aufgrund ihrer individuellen Eigenschaften für den jeweiligen Verwendungszweck ausgewählt. So wird zum Beispiel bei der Fassade Lärche verwendet, die durch ihren geraden Wuchs und ihre hohe Dichte für eine lange Lebensdauer und Tragkraft steht. Für die Stützen kommt Buche zum Einsatz, da diese eine hohe Festigkeit aufweist. Im Innenbereich – insbesondere in den Decken – wird Fichtenholz verwendet, das sich durch Vielseitigkeit und Robustheit auszeichnet.

www.the-cradle.de

Das Cradle-to-Cradle-Prinzip

„Cradle“, englisch für „Wiege“, steht für die Herkunft eines Bau- oder Werkstoffes. Das Cradle-to-Cradle-Prinzip, das in den 1990er-Jahren von Prof. Dr. Michael Braungart, William McDonough und der EPEA Hamburg entwickelt wurde, macht es der Natur nach: Die meisten genutzten Stoffe können wiederverwendet werden. Es entsteht beim Abriss praktisch kein Müll, da vieles recycelt und in anderer Form wieder nutzbar gemacht wird. Und der ökologische Gedanke geht noch einen Schritt weiter: Ein Cradle-to-Cradle-Gebäude verwendet ökologisch erzeugte Energie und schaut auch auf die umweltfreundliche Produktion der Baustoffe.

Dieser Artikel ist erschienen in