Wie in einer Ehe
Bei einem Joint Venture gründen zwei oder mehrere Partnerfirmen eine Tochtergesellschaft, um voneinander auf unterschiedliche Weise zu profitieren. Doch Komplexität und Intensität der Zusammenarbeit sollten nicht unterschätzt werden, wie Dr. Michael Demuth, Rechtanwalt bei Rose & Partner, weiß.

Welche Arten von Joint Ventures gibt es?
Man kann zwischen zwei Formen von Joint Ventures unterscheiden. Es gibt Vertrags-Joint-Ventures und Equity Joint Ventures. Bei ersterem wird lediglich ein Kooperationsvertrag geschlossen, eine schuldrechtliche Vereinbarung. Es entsteht also kein gemeinsames eigenständiges Unternehmen. Im Vertrag sind Risiko-, Gewinn- und Kostenbeteiligungen der Firmen geregelt. Vorteile dieser Option sind recht niedrige Gründungskosten und eine sehr flexible Gestaltung der vertraglichen Grundlagen. Zudem lassen sich Gewinne, Verluste und Stimmrechte frei verteilen.
Von Equity Joint Ventures wird gesprochen, wenn zwei oder mehr Unternehmen eine eigenständige Tochterfirma ins Leben rufen – häufig als GmbH. Die Herausforderung ist, dass man hier gleich starke Partner hat. Das erfordert besondere Regelungen. Die Geschäftsführung erfolgt durch die Organe des gegründeten, eigenständigen Gemeinschaftsunternehmens. Die Tochtergesellschaft haftet dabei selbst.
Welche Vorzüge, aber auch Nachteile, haben Joint Ventures für die beteiligten Unternehmen?
Häufig ist es bei Joint Ventures so, dass die beteiligten Unternehmen komplementär zueinander sind – also jeder sein Spezialgebiet hat. Das heißt, die Unternehmen profitieren vom Know-how des jeweils anderen. Einer meiner Klienten zum Beispiel war ein Familienunternehmen, das Enzyme entwickelt hat, die von Europa aus vertrieben wurden. Es hat gemeinsam mit einem chinesischen Unternehmen, das sich auf die Herstellung fokussiert hat, ein Joint Venture gegründet. So hat das deutsche Unternehmen den Zugang zum chinesischen Markt erhalten. Ein anderes Joint Venture, was ich vor Augen habe, ist eine Reederei, die mit einem Finanzdienstleister auf diese Weise kooperiert hat. Letztere hatte einen sehr guten Zugang zu institutionellen Investoren. Mit solchen Joint Ventures kann ich mich unmittelbar am wirtschaftlichen Ergebnis von einem Unternehmen beteiligen, von dem ich nur teilweise die Fähigkeiten und Betriebsmittel habe. Weitere Vorteile sind eine Risikomilderung und Kostendegression.

Ein Nachteil ist etwa, dass man ein Stück weit seine Autonomie aufgeben muss. Das ist vor allem für Familienunternehmen nicht leicht, sind diese doch bestrebt, ihre Unabhängigkeit zu wahren. Jedenfalls sollte man den enormen Abstimmungsbedarf vor Entscheidungen in einem Joint Venture nicht unterschätzen. Die Partner müssen sich darüber hinaus bewusst sein, dass in der Regel nicht sie selbst das Joint Venture mit Leben füllen, sondern diejenigen, die dort arbeiten. Diese haben einen ganz anderen Blick auf das Ganze und die Beschäftigten müssen erst einmal eine gemeinsame Unternehmenskultur und Sprache entwickeln. Es ist nach meiner Erfahrung also nicht nur rechtlich, sondern auch geschäftspolitisch eine riesige Herausforderung.
Was ist bei deren Gründung zu beachten?
Auf jeden Fall sollte man einen Steuerberater mit an Bord haben, denn die steuerlichen Aspekte sind nicht zu unterschätzen. Außerdem sollten die Interessen der Joint Venture-Partner umfassend besprochen und auch vertraglich geregelt sein – und zwar für alle Themen. So lässt sich zumindest ein Stück weit verhindern, dass die Joint-Venture-Partner mit sehr unterschiedlichen Erwartungshaltungen die Kooperation eingehen, zum Beispiel bei der Einflussnahme auf die Geschäftsführung. Das ist vor allem dann sehr kompliziert, wenn gleichberechtigte Partner zusammen an einem Tisch sitzen. Ich kann nur jedem Unternehmen empfehlen, genau zu überlegen, ob man eine solch komplexe Struktur ins Leben rufen möchte und ob es sich am Ende auch wirklich rechnen kann. Darüber hinaus muss man kartellrechtliche Vorschriften im Blick haben.
Mit welchen Aspekten müssen sich deutsche Familienunternehmen auseinandersetzen, wenn es um internationale Joint Ventures geht, vor allem mit Sitz in China oder in den USA?
Geht es um internationale Joint Ventures, sind die steuerlichen und rechtlichen Aspekte um ein Vielfaches komplexer. Da müssen zum Beispiel Investment- und die Außenwirtschaftsgesetze beachtet werden. Auch das Thema Geschäftsgeheimnisse hat noch einmal eine andere Qualität. In China galt lange Zeit ein Joint-Venture-Zwang, wollte man auf dem chinesischen Markt aktiv werden. Es gab sehr häufig diverse Komplikationen mit den chinesischen Partnerfirmen. Nachdem es in den meisten Branchen möglich wurde, eigene Tochtergesellschaften zu gründen, lösten daher viele Unternehmen die bestehenden Joint Ventures auf und gründeten ihre eigenen 100-Prozent-Tochtergesellschaften, um unabhängig von den chinesischen Partnern agieren zu können. Liberalisiert wurden auch die Bereiche, in die ausländische Unternehmen investieren dürfen. Vergleichsweise kurze Negativlisten schließen in bestimmten sensiblen Branchen ausländische Investitionen und damit Joint Ventures aus. Auch soll das geistige Eigentum ausländischer Investoren in Zukunft besser geschützt werden, was in der Vergangenheit oft für Probleme gesorgt hatte.
Möchte man ein Joint Venture in den USA eingehen, sind dort die recht unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Rechtsordnungen der einzelnen Bundesstaaten zu berücksichtigen. Zudem muss man wissen: Wenn es zu Rechtsstreitigkeiten kommt, sind diese in den USA zu regeln – das schreckt viele deutsche Unternehmen ab. Mit den USA besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen, was Joint Ventures dort aus steuerlicher Sicht erleichtert. Corporations werden zudem in den USA mittlerweile niedriger besteuert als deutsche Kapitalgesellschaften. In der Praxis werden US-Joint-Ventures nicht selten durch die unterschiedlichen Unternehmenskulturen belastet. Fehlende soziale Absicherung und deutlich reduzierte Arbeitnehmerrechte müssen bei einem Joint Venture in den USA mit einkalkuliert werden.
Im Rahmen eines Joint Ventures sind Parteien häufig zu gleichen Teilen an einer Gesellschaft beteiligt. Dabei kann es zu einem sogenannten Deadlock, einem Stillstand, kommen. Was ist in einer solchen Situation zu tun?
Das ist ähnlich wie in einer Ehe. Da würde ich den Parteien in einem ersten Schritt ein Mediationsverfahren empfehlen. Wenn eine Mediation nicht hilft, man zur Klärung vor Gericht gehen müsste, sollte die Möglichkeit einer schnellen Trennung bestehen. Bei einer solchen Pattsituation kommen dann häufig sogenannte Shoot-out-Regelungen ins Spiel: Hier werden die Partner aufgefordert, verschlossen in einem Umschlag ein Angebot zur Übernahme der Geschäftsanteile des jeweils anderen Partners abzugeben. Nach einer festgelegten Frist werden die Umschläge geöffnet. Derjenige Gesellschafter, der für die Anteile des anderen Partners eine höhere Summe zahlt, erhält schließlich den Zuschlag, wenn der andere zustimmt. Dann kann der „Gewinner“ überlegen, ob er einen neuen Partner mit reinnimmt, das Joint Venture alleine weiterführt oder es abwickelt.
Wie hoch ist den der Anteil der Joint Ventures, die scheitern?
Genaue Zahlen habe ich nicht. Man muss aber leider sagen, dass sehr viele Joint Ventures am Ende nicht von Erfolg gekrönt sind, abgewickelt werden müssen und sich als große Zeit- und Verlustfresser erwiesen haben.