Zuhören können ist das A und O
Wer seine Produkte und Dienstleistungen verkaufen will, muss verhandeln können. Was Vertriebler dabei beachten sollten, erläutert Thomas Mück, Leiter der Akademie Würth in Künzelsau, im Interview.

Was zeichnet herausragende Verkäufer aus?
Sie sind in der Verhandlung kommunikativ und abschlussstark, schaffen es, nach dem Abschluss auch den Anschluss hinzubekommen. Die Kunst ist es, dass diese Abschlussstärke nicht als Penetranz vom Kunden empfunden wird. Es braucht also ein charmantes Commitment für beide Seiten.
Welche neuen Herausforderungen müssen Vertriebler in Verhandlungen mit Kunden heutzutage meistern?
Die digitale Transparenz ist eine riesige Herausforderung. Produkte, Dienstleistungen, Verfügbarkeit, Artikelbeschreibungen und das Pricing sind heutzutage im digitalen Raum allzeit präsent. Dementsprechend ist der Kunde in der Regel schon fast besser informiert als der Vertrieb. Oftmals sind die Kunden diejenigen, die die Produkte einsetzen und deshalb mit einer sehr detaillierten Produktkenntnis glänzen können, die der Vertrieb aus der Usability heraus manchmal nicht hat.
Nach der Pandemie ist erschwerend hinzugekommen, dass viele Kunden den Verkäufer nicht mehr vor Ort sehen möchten. So hat die Beschaffung, der Vertrieb, im digitalen Raum stark zugenommen. Das nimmt denjenigen Vertrieblern, die eine entsprechend gute Präsenz bei Verhandlungen im Raum haben, die Möglichkeit, ihre Stärke auszuspielen. Fakt ist eben, dass im digitalen Raum jeder noch einmal ganz anders wirkt. Dessen müssen sich Vertriebspersönlichkeiten stärker bewusst sein denn je.
Wie sieht es mit der Durchsetzung von Preissteigerungen aus?
Die Durchsetzung von Preissteigerungen bei bestehenden Verträgen, die aufgrund etwa von Lieferengpässen und Rohstoffknappheit sein müssen, ist natürlich ebenfalls eine enorme Herausforderung für den Vertrieb. Allerdings würde ich sagen, dass der Preis bei vielen Produkten ganzheitlich betrachtet oft eine untergeordnete Rolle spielt – es eher auf das Gesamtpaket ankommt. Daher ist es wichtig, dass der Vertrieb in den Verhandlungen mit dem Kunden deutlich macht, wie der Preis zustande kommt. Und wenn da Zusatzleistungen, Services und Qualität mit reinspielen, muss der Vertrieb hier in der Lage sein, das entsprechend zu transportieren. Nur über den Preis und Rabatte den Kunden zu gewinnen, ist nicht zwingend das, was mittelfristig noch Bestand haben wird. Zielführender in den Verhandlungen ist hingegen das Offerieren von Mehrwertmodellen.
Was sind die größten Fehler, die in Verhandlungen und im Vorfeld passieren?
Ein kurzfristiges Profitdenken. Bei den Trainings der Akademie Würth zeigt sich immer wieder, dass nicht wenige Teilnehmer in den Verhandlungen maximal selbstoptimiert auftreten. Sie denken zu sehr an ihren eigenen Monatsabschluss und mögliche Boni oder Gratifikationen, haben einen zu starken Fokus darauf, was wie vergütet wird. Das kann man ihnen zwar nicht verübeln, allerdings sollte es am Ende des Tages um langfristige Partnerschaften und Beziehungen gehen. Wenn man sich erfolgreiche Key-Account-Manager anschaut, sind das Menschen, die über Jahre ihre Netzwerke konsequent pflegen. Diese verkaufen quasi aus der Netzwerkpflege heraus – und nicht nur, weil etwas gerade im Angebot ist oder es dafür einen Bonus gibt.
Ein weiterer entscheidender Verhandlungsfehler ist, dem Kunden nicht richtig zuzuhören. Das passiert gerade dann, wenn Vertriebler selbstoptimiert unterwegs sind. Nur wer seine ganze Aufmerksamkeit dem Kunden widmet, erfährt eher, wo der Schuh drückt und ob man eventuell mit einem passenden Produkt oder Service dieses Problem lösen kann.
Und ein dritter Fehler: Die Verkäufer haben sich im Vorfeld der Verhandlung beziehungsweise vor der Anbahnung eines Verkaufsgesprächs nicht ausreichend mit dem Unternehmen, dem Kunden oder dem Gesprächspartner beschäftigt. Uns bei Würth zum Beispiel – ein Unternehmen, das in Sachen Vertrieb seit acht Jahrzehnten sehr erfolgreich ist und über die größte festangestellte Außendienstmannschaft weltweit verfügt –, rufen trotzdem fast täglich Berater und Trainer an, die uns Vertriebstrainings verkaufen möchten. Das passt irgendwie nicht zusammen.
Mit welchen Tricks und Praktiken sehen sich Verkäufer in den Verhandlungen konfrontiert?
Hier ist vor allem das gegenseitige Ausspielen zu nennen. Die Einkäufer holen häufig mehrere Angebote im Vorfeld ein, die sie gerne strategisch einsetzen, um ihre Maximalziele zu erreichen. Das läuft in aller Regel über Preis, Menge und Verfügbarkeit. Eine Vollkosten-Kalkulation, die auch Zusatzleistungen berücksichtigt, wird nur sehr selten angewendet. Das ist ja auch der Grund dafür, dass über viele Jahre deutsche Unternehmen ihre Produkte und Komponenten unter anderem im asiatischen Raum geordert haben. Da wurde der damit verbundene Mehraufwand kaum berücksichtigt.
„Die digitale Transparenz ist eine riesige Herausforderung.“
Im Projektgeschäft ist das noch viel schwieriger, weil man oftmals gar nicht weiß, wie viel Projektüberzug zum Beispiel vorab mit einkalkuliert ist. Da werden Kampfpreise in den Verhandlungen offeriert, obwohl die Einkäufer genau wissen, dass sie aufgrund der Komplexität eines Projektes viel mehr Geld ausgeben müssen. Vordergründig nehmen Sie dann das Angebot des billigsten Lieferanten an, während andere, die realistischere Angebote präsentiert hatten, nicht berücksichtigt werden. Diese Fallstricke als Verkäufer zu erkennen, ist sehr herausfordernd.
Was können Verkäufer in solchen Situationen tun?
Wenn getrickst wird, gilt es, in den Verhandlungen standhaft zu bleiben. Ganz nach dem Motto „Kenne deinen Wert“. Natürlich kann man sich in Sache Marge und Preis etwas bewegen und in Ausnahmefällen auch mal unter den Preis gehen, wenn es sich als Teil einer Querschnittkalkulation dennoch rechnet. Ansonsten nie versuchen, mit einem absoluten Kampf- und Dumpingpreis den Fuß in der Tür zu halten. Hier lieber mit Zusatzleistungen überzeugen. Wir hören ab und an von Kollegen, dass sie da einen sehr guten Kunden haben, der sehr viel Umsatz macht – und wir deshalb diesem Kunden vom Preis her entgegenkommen, etwas tun müssten. Ich bleibe da in der Regel standhaft, da wir genau unseren Wert und den Wert unserer Dienstleistungen kennen.
Bevor ich in Verhandlungen mit meinem Kunden ins Blaue hinein diskutiere, sollte ich auch wissen, wo dessen Wunschpreis liegt. Denn es ergibt keinen Sinn, sich gegenseitig irgendetwas schmackhaft zu machen, wenn man preislich überhaupt nicht zusammenkommen kann. Dann ist es als Vertriebler auch nicht verfänglich, die Verhandlungen zu beenden.
Wie sollte man agieren, wenn die Verhandlungen gescheitert sind?
Das sind wir beim Unterschied von Konsequenz und Penetranz. Die große Kunst es ist, einerseits nach einer Verhandlung konsequent am Kunden dranzubleiben, aber andererseits auch loslassen zu können, wenn man merkt, dass keinerlei Interesse besteht. Bei vielen Kunden lohnt es sich, es nach einer gewissen Zeit nochmal zu versuchen. Denn es kann durchaus sein, dass man beim Projekt A zwar nicht zusammengekommen ist, aber es bei einem weiteren Projekt neue Ansatzpunkte gibt.
Welchen abschließenden Tipp haben Sie für Vertriebler/Verkäufer?
Mein Tipp an Verkäufer: Werden Sie digital sichtbar. Mir fällt seit Jahren auf, dass Dinge wie WhatsApp-Status, LinkedIn- und Instagram-Profile zusehends vertriebsrelevanter werden. Sie spielen bei der neuen Generation von Verhandlungspartnern eine immer wichtiger werdende Rolle. Denn gerade junge Menschen machen sich vor den Verhandlungen ein genaues Bild von den Verkäufern und nutzen hierfür hauptsächlich die sozialen Medien. So sollten diese Profile in Sinne der eigenen Vertriebsstrategie gepflegt werden.
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