Familienunternehmen blickt zurück

Zum 150. Geburtstag von Dr. August Oetker
Der Geburtstag des Firmengründers Dr. August Oetker jährt sich zum
150. Mal. Das Familienunternehmen wirft aus diesem Anlass einen
langen Blick zurück, meidet aber offiziell den Blick nach vorn –
zumindest wenn es um die Führungsfrage geht.
Alfred Oetker kennt sich aus mit Machtkämpfen in
Familienunternehmen. Der Titel seiner Doktorarbeit lautete:
Stakeholder-Konflikte in Familienkonzernen. Alfred gilt als
möglicher Nachfolger seines 16 Jahre älteren Halbbruders Richard, der
derzeit an der Spitze des Bielefelder Konzerns steht und am 4. Januar
61 Jahre alt wird. Spätestens in vier Jahren muss Richard das Amt
abgeben. In der Firmenzentrale heißt es dazu wie immer in solchen
Fragen nur: Kein Kommentar.
Von der Apotheke zum Multi
Am 6. Januar 1862 wurde der Bäckersohn August Oetker in
Obernkirchen nahe dem ostwestfälischen Minden geboren. Der ehrgeizige
Apotheker versuchte es zuerst in Berlin, bevor er am 1. Januar 1891
die Aschoff’sche Apotheke übernahm.
Das Backpulver Backin gibt es bereits seit 1893.
Oetker entwickelte medizinische Weine oder Fußcreme; der
wirtschaftliche Erfolg blieb aber unter den Erwartungen. Dann
experimentierte der Bäckersohn in einer vier Quadratmeter kleinen
Kammer (meine Geheimbutze) mit Backpulver. Das hatte zwar schon
Justus Liebig erfunden, man konnte es aber nicht längere Zeit lagern
und einen Beigeschmack hatte es auch.
Oetker experimentierte so lange, bis er im Jahr 1893 portioniertes
Backpulver in Tütchen auf den Markt bringen konnte. Der Clou daran: Er
garantierte, dass es genau die richtige Menge Triebmittel für ein
Pfund Mehl war. Für die Qualität sollte der Name Dr. Oetker bürgen.
Eine der heute bekanntesten Marken Deutschlands war entstanden. 1899
wurden schon zwei Millionen Tütchen Backin hergestellt.
Die Firmenzentrale in Bielefeld.
Im Mai 1900 zog das Unternehmen in die Bielefelder Lutterstraße,
wo noch heute die Zentrale in mächtigen alten Backsteinbauten sitzt.
Neue Produkte wie Vanillin-Zucker, Speisestärke und das Puddingpulver
bereicherten das Sortiment. In den Fabriken ließ August Oetker
Losungen anbringen wie Ein heller Kopf, der Ordnung hält, erspart
viel Arbeit, Zeit und Geld. 1916 fiel Augusts Sohn und designierter
Nachfolger Rudolf im Ersten Weltkrieg, 1918 starb der Firmengründer
mit nur 56 Jahren.
Unternehmens- vor Familieninteressen
Der Vorstand präsentiert das Ergebnis 2010.
Seitdem gab es nur vier Chefs bei Oetker, derzeit ist es Richard.
Der Familienkonzern ist längst viel mehr als Pudding und Backpulver.
2010 stammte fast jeder zweite Euro des Konzernumsatzes von 9,5
Milliarden Euro aus dem Reedereigeschäft (Hamburg Süd). Zweitgrößte
Sparte sind die Nahrungsmittel, die ein Viertel des Konzernumsatzes
stellten. Drittgrößte Aktivität ist die Radeberger Gruppe, führender
Bierhersteller Deutschlands. Dazu kommen Sekt, Wein und Spirituosen
der Tochter Henkell, das Bankhaus Lampe und einige Luxushotels.
Wenn es um die Zukunft der Oetker-Spitze geht, wird das
Unternehmen genauso einsilbig wie bei Fragen nach Gewinnen und
Verlusten. Aus den drei Ehen von Rudolf-August Oetker (1916 bis 2007)
gingen acht Kinder hervor. Die fünf Ältesten sollen, als im Jahr 2009
an der Konzernspitze der Rückzug von August Oetker anstand – dem
gleichnamigen Urenkel des Firmengründers – den nur wenig jüngeren
Richard durchgesetzt haben. Das war gegen den Willen der drei
Jüngsten, die für Alfred waren.
Alfred ist der älteste Sohn von Rudolf-August und dessen dritter
Frau, Marianne. Wie sein Vater hat er Bankkaufmann gelernt. Später
studierte er Betriebswirtschaft in Passau, promovierte in Leipzig,
arbeitete im Marketing des Henkel-Konzerns und seit einigen Jahren
als Geschäftsführer für Oetker in Belgien und den Niederlanden.
Wie auch immer die Nachfolge geregelt wird, im Vordergrund stehe
immer der Grundsatz: Die Interessen der Unternehmens haben Vorrang
vor denen der Familie, heißt es bei den Oetkers. Und ansonsten:
Kein Kommentar.
Matthias Benirschke, dpa